SWR1 Anstöße sonn- und feiertags
Jesus hat gerne in Gesellschaft gegessen und getrunken. Alleine im Lukasevangelium stehen neun Geschichten, wie er mit unterschiedlichsten Menschen an einem Tisch sitzt. In einer Welt ohne Kommunikationsmittel, Zeitungen und Fernsehen ist eine Tischgemeinschaft der wichtigste Platz für Austausch, Diskussion und Verständigung. Und wer zu einer Tischgemeinschaft dazugehört, der hat zumindest an diesem Tag für sein Essen gesorgt. Das ist wichtig in einer Gesellschaft, in der Armut überwiegt. Tischgemeinschaften entscheiden also darüber, wer dazu gehört, wer anerkannt ist. Wer dazu eingeladen wird, der sollte ein interessanter Gesprächspartner sein. Er sollte ein gewisses Ansehen haben, keine anrüchige Randfigur sein.
Jesus ist ein gesuchter Gesprächspartner. Pharisäer laden ihn ein, also gebildete, engagierte Juden, die auf religiöse Tradition halten. Jesus könnte sich als charmanter Gast geben, mit einem klugen Wort hier und einer intelligenten Bemerkung da. Doch er macht zwei Fehler:
Zum einen lässt er zu, dass sich Leute von sehr zweifelhaftem Ruf an seinen Tisch setzen. So akzeptiert er eine stadtbekannte Prostituierte bei sich am Tisch. Und zum anderen lässt er sich auch von zwielichtigen Leuten einladen, etwa von Zöllnern, den verhassten Steuereinnehmern der römischen Besatzungsmacht. Für Juden ist das eine heftige Provokation. Wie kann sich der beliebte Wanderprediger Jesus mit solchen Leuten abgeben! Er muss doch wissen, welches Gesindel das ist! Diese Leute färben doch auf ihn ab!
Jesus isst und trinkt aber trotzdem mit Sündern und Zöllnern. Dabei will er nicht die bestehende gesellschaftliche Ordnung umzustürzen. Er gibt den Menschen am Rand vielmehr eine Kostprobe. Als der entscheidende Repräsentant Gottes macht er ihnen klar: So wie ihr hier mit mir zusammensitzt, so lädt euch Gott bildlich gesprochen zu einem ewigen Gastmahl ein. Ihr bleibt nicht vor der Tür, ihr seid alle eingeladen. Das fängt jetzt schon an und darüber können wir uns jetzt schon gemeinsam freuen, hier an diesem Tisch. Was der Evangelist Lukas aufgeschrieben hat, gilt damals wie heute: Gott will die Menschen vom Rand mit am Tisch haben. Und an unseren Tischen sollten sie auch Platz haben.
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