Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
„Und ich bin gut so.“ Das steht auf einer Tasse in meinem Geschirrschrank. Sie ist eine meiner Lieblingstassen und sie erinnert mich daran, dass Gott mich so liebt und annimmt wie ich bin. Das klingt vielleicht kitschig und flach. So wie der Satz: „Jesus liebt dich“, der manchmal in Bahnhöfen auf riesigen Plakaten steht. Sozusagen als Werbung für den christlichen Glauben. Ich mag diese Plakate nicht. Aber der Gedanke, dass es eine Instanz gibt, die mich gut so findet, wie ich bin, lässt mich jedes Mal tief durchatmen. Ich muss nichts tun, ich muss mich nicht anstrengen, ich muss mich nicht verhalten, wie andere das gerne hätten – da ist einer, der mich lieb hat ohne Wenn und Aber. Ich nenne diese Instanz Gott. Und ich bin dankbar, dass ich Ihm glauben kann. Denn es gibt genügend Menschen, mich selbst eingeschlossen, die gar nicht finden, dass ich uneingeschränkt gut so bin. Den einen lache ich zu laut. Andere finden, ich bin zu emotional. Ich selbst ärgere mich, wenn ich im Klassenzimmer mit einem Kind zu schnell die Geduld verliere. Oder wenn ich was esse, das mir nicht gut tut.
Die Sehnsucht, dass mich jemand liebt, genauso wie ich bin, teile ich mit vielen Menschen. Wer Glück hat, erlebt dieses bedingungslose Angenommensein in einer Liebesbeziehung. Zumindest am Anfang, wenn beide verliebt sind. Manchmal haben auch Kinder das Glück, dass sie sich von ihren Eltern grenzenlos geliebt fühlen. Und jeder Mensch kann selbst daran arbeiten sich zu mögen, einverstanden zu sein mit sich und sich anzunehmen trotz aller Unvollkommenheit. Realistisch betrachtet ist das natürlich kein Dauerzustand. Als Mensch in dieser Welt bin ich unvollkommen, mache Fehler und ich verändere mich. Manchmal kann ich mich so mögen wie ich bin. Manchmal auch nicht. An manchen Tagen fühle ich mich von den Menschen um mich herum geliebt, so wie ich bin. An anderen Tagen merke ich, was sie an mir nervt. Dann spüre ich die Sehnsucht danach, dass ich für immer und ewig uneingeschränkt geliebt bin. Diese Sehnsucht erinnert mich an das Paradies. Ich glaube, dass ich dort ankomme nach meinem Tod. Dass meine Sehnsucht ein Hinweis ist auf die Wirklichkeit, die auf mich wartet. Diese Wirklichkeit, die ich Gott nenne. Bis dahin reicht es mir, von Zeit zu Zeit tief durchzuatmen, wenn ich daran denke, dass es eine Instanz gibt, die mich gut findet, genauso wie ich bin.
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