Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

11NOV2024
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Ich habe gelernt, um Hilfe zu bitten. Das ist mir schwer gefallen. Wenn ich für etwas Hilfe gebraucht habe, war mir das immer unangenehm. Zum Beispiel als Schülerin in Mathe. Da habe ich Nachhilfe gebraucht, weil ich Mathe nicht kapiert habe. Auch als ich anfing, ein Smartphone zu nutzen, hab ich das nicht alleine hingekriegt.

„Ich brauche Hilfe.“ Es hat gedauert, um diesen kleinen Satz offen aussprechen zu können. Unterstützt hat mich dabei eine Predigt, die ich vor vielen Jahren gehört habe. Das war während eines Gottesdienstes am 11. November zu St. Martin. Die Geschichte vom Heiligen Martin erzählen wir uns ja bis heute, weil er gerne geteilt hat und hilfsbereit war. Der Prediger damals hat sich interessanterweise mehr mit dem Bettler beschäftigt als mit dem Heiligen Martin. Und wortwörtlich gesagt: „Martin konnte nur helfen und etwas Gutes tun, weil da jemand war, der seine Hilfe gebraucht hat.“ Ich war baff. Das war ein außergewöhnlicher Perspektivwechsel. Der Gedanke war völlig neu für mich. Der arme Mann am Straßenrand, der Hilfe gebraucht hat, war wichtig und wertvoll. Weil Martin ohne ihn gar nicht hätte zeigen können, dass er hilfsbereit ist und gerne teilt.

Damals ist mir noch tiefer bewusst geworden, wie wir Menschen aufeinander angewiesen sind. Manchmal bin ich diejenige, die hilft und teilt. Manchmal brauche ich jemanden, der für mich da ist. Ich mag es noch immer nicht, wenn ich auf Hilfe angewiesen bin. Und ich schaffe es auch nicht immer, darum zu bitten. Wie vor Jahren als ich mit einem gebrochenen Zeh zu einer Untersuchung in die Klinik musste. Mit der Plastikschiene konnte ich zwar laufen, aber halt mehr schlecht als recht. Trotzdem habe ich mich entschieden lieber den Bus zu nehmen als jemanden zu fragen, der mich mit dem Auto fährt. Dann hat mich meine Nachbarin gefragt, wie ich in die Klinik komme. Auf meine Antwort hat sie liebevoll gesagt: „Nein, nein ich fahre dich. Ich steh um viertel vor 9 vor deiner Tür.“ Ich hab mich so gefreut und das Angebot gerne angenommen. Es ist wundervoll, wenn Menschen wie der Heilige Martin oder meine Nachbarin merken, dass jemand Hilfe braucht. Trotzdem übe ich weiter auch um Hilfe zu bitten, weil es menschlich ist, nicht alles alleine zu schaffen.

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