SWR4 Abendgedanken

15NOV2024
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Am Sonntag ist Volkstrauertag. Ich erinnere mich daran, wie ich als Kind nach dem Gottesdienst an der Hand meiner Großmutter vor der Gedenktafel im Dorf stand und der Ortsvorsteher und der Pfarrer ein paar Worte gesprochen haben. Es ging um Krieg und Frieden. Ehrlich gesagt, habe ich das damals nicht alles verstanden. Was ich aber verstanden habe, war, dass alle, die da gewesen sind, betroffen auf die Steintafel geschaut haben, die an der Wand hing.

Darauf standen die Namen derer, die im Krieg geblieben sind. Namen von Vätern, Ehemännern, Brüdern und Söhnen. Was mir vor allem an diesem Tag in Erinnerung geblieben ist, waren die Tränen in den Augen der Männer und Frauen. Still ging man auseinander.

Die Namen auf den Tafeln sagen uns, die wir heute davorstehen, vielleicht nichts mehr.

Die Alten konnten zu jedem Namen auf der Tafel in unserem Dorf noch eine Geschichte erzählen. Der Heinrich war ein sehr talentierter Tischler, er hatte drei kleine Kinder, Otto gehörte zu den ersten Automechanikern in der Region, es hat seiner Mutter das Herz gebrochen als die Nachricht kam, dass er gefallen ist. Walter wurde direkt von der Schulbank in den Krieg gerufen und kam nie zurück.

Das ist nun über 80 Jahr her, und ihr Schicksal in weite Ferne gerückt. Vielleicht kommen heute auch deshalb nur noch eine Handvoll Menschen am Volkstrauertag, die an die Opfer der Kriege erinnern und zum Frieden in der Welt aufrufen. Dieser Ruf verdient, so finde ich, gerade in diesen Tagen breites Gehör.

Wie lang müsste die Liste mit den Namen auf den Gedenksteinen sein, wenn wir auch an die Frauen, Kinder und Männer denken, die ebenso ihr Leben verloren haben oder auf der Flucht gestorben sind? Wie lang, wenn wir an alle denken, die heute durch Terror, Krieg und Gewalt ihr Leben verlieren?

Darum sind die in Stein gemeißelten Namen für mich ein Aufruf, immer wieder neu auf dieser Welt nach Wegen des Friedens zu suchen – Die Tränen, die Trauer und das Leid, die hinter jedem Namen stehen, dürfen wir nicht vergessen. Ich möchte mich darum für den Frieden auf dieser Welt einsetzen. Auf das ganz Große habe ich keinen Einfluss, aber in meinem eignen Umfeld kann ich dafür Sorge tragen, dass wir gut und menschlich miteinander umgehen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40998
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