SWR4 Abendgedanken
Bei uns in Tauberfranken liegt im November oft bis zum späteren Vormittag der Nebel in den Tälern, dazu wird es am Abend früh dunkel.
Ein trister Monat. Aber mir gefällt an dieser Zeit, dass ich in ihr so viel Ruhe finde, wie kaum zu einer anderen Jahreszeit. An frühen Abenden nehme ich mir jetzt gerne eine Decke und setze mich mit einer warmen Tasse Tee auf mein Sofa. Ich denke über die vergangenen Monate nach.
In diesem Jahr ist bei mir ganz schön viel zusammengekommen. Ich musste von mehreren lieben Menschen Abschied nehmen, die mich weite Teile meines Lebens begleitet haben. Mein Mann hat seinen Arbeitsplatz gewechselt, ein Freund bekam eine Krankheitsdiagnose, meiner Mutter ging es nicht gut. Manches liegt auf meiner Seele wie der Novembernebel in den Tälern. Das kann einen ganz schön erdrücken.
Es gibt aber auch eine andere Seit, die ich Gott sei Dank genauso aus diesem Jahr in den Blick nehmen kann: Da gab es Gutes, Schönes, Überraschendes und Gelungenes: Wir haben dieses Jahr unsere Silberhochzeit mit Freunden feiern dürfen, wir konnten mit unserem Sohn seinen Schulabschluss feiern, es gab nicht nur ein schönes Geburtstagsfest und im Urlaub habe ich in Finnland zum ersten Mal Polarlichter gesehen. Ich war völlig aus dem Häuschen, als ich das grün-violette Licht am Himmel erblickt habe. Die ganze Familie habe ich lautstark nachts um ein Uhr zusammengerufen. Damit alle dieses unglaubliche Himmelsphänomen sehen konnten. Noch jetzt staune ich darüber – Monate später im ach so tristen November.
„Alles Ding währt seine Zeit-Gottes Lieb in Ewigkeit“, heißt es in einem Kirchenlied. Mir tut der November gut, um die Dinge meines Lebens nach den übervollen Monaten zu sortieren. Das Schöne wie das Schwierige hat in diesem Jahr seinen Platz darin gefunden. Und, was sich noch nicht sortieren lässt, lege ich einfach in Gottes Liebe ab – vielleicht sortiert er es für mich, wenn nicht heute, dann vielleicht an einem anderen Abend.
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