SWR1 Begegnungen

10NOV2024
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Margret Köpfer vor einem Bild der Mutter mit Bibel von Hans Thoma Copyright: Sylvia Vetter

Martina Steinbrecher trifft Margret Köpfer, Leiterin des Hans-Thoma-Museums in Bernau

Die Leiterin des Hans-Thoma-Museums in Bernau im Schwarzwald hat in diesen Tagen alle Hände voll zu tun. Grund dafür sind gleich zwei Jubiläen: Das Museum feiert sein 75-jähriges Bestehen.  Und dann jährt sich in diesen Tagen der 100. Todestag des „Lieblingsmalers der Deutschen.“ Auf den Tag genau heute vor 100 Jahren ist er in Karlsruhe mit Glanz und Gloria beerdigt worden. Der Weg zu so viel Ruhm war allerdings lang und beschwerlich:

Hans Thoma stammt aus ärmlichen Verhältnissen und fürs 19. Jahrhundert auch sehr schwierigen Familienverhältnissen. Denn erst starb sein älterer Bruder, der Hilarius, dann starb sein Vater, und so war er das einzige männliche Mitglied der Familie, von dem natürlich auch irgendwie erwartet wurde, dass er in Zukunft die Familie ernährt. Die Familie bestand dann noch aus seiner Mutter Rosa und seiner Schwester Agathe. Und die Mutter Rosa hat also sehr viel darangesetzt, dass der Bub was G‘scheits wird.

Mutter und Schwester: Die beiden Frauen, die ihn ihr Leben lang begleitet und geprägt haben, hat Hans Thoma immer wieder portraitiert. Das vielleicht bekannteste Ölgemälde der beiden stammt aus dem Jahr 1866 und zeigt die 62-jährige Rosa und die 18-jährige Agathe, wie sie zusammen in einer Bibel lesen. Zum Jubiläum ist das Bild in der aktuellen Ausstellung zu bewundern. 

Oder dann haben wir Mutter in der Bibel lesend. Das hängt im Schwarzwaldraum, da liest sie natürlich auch in der Bibel und hat ihre Brille auf. Diese Brille, irgendwie so dieses Symbol des Gebildetseins. Dann die Bibel, das Zeichen der Frömmigkeit. Das taucht schon immer wieder bei ihm auf.

Auch wenn die Familie Thoma katholisch ist und Hans erst durch die Heirat mit der Künstlerin Cella Berteneder evangelisch wird, zeigen die Bilder der lesenden Frauen ein zutiefst protestantisches Programm. Denn es war ein wichtiges Anliegen der Reformatoren, auch Menschen aus einfachen Verhältnissen Zugang zu Bildung zu verschaffen, und zwar Männern wie Frauen, nicht zuletzt, um die Bibel in ihrer Muttersprache lesen zu können. Dass das Bibelstudium im Hause Thoma ein alltägliches Ritual war, sieht man an der abgebildeten Bibel: Sie zeigt starke Gebrauchsspuren. Aber auch die Haltung von Mutter und Schwester lässt keinen Zweifel: Diese Frauen leben nicht vom Brot allein, sondern - gemäß einem Bibelvers - von jedem Wort, das ihnen aus Gottes Mund entgegenkommt. Ein Bild der Mutter mit Bibel ist zurzeit auch das Lieblingsbild von Margret Köpfer:

Das hängt so genial jetzt in der neuen Ausstellung. Wir haben praktisch die Fenster verdunkelt. Und da ist das Geburtshaus von Hans Thoma drauf, und zwischen den beiden Fenstern ist ein Stück Wand. Und da ist genau das Hauseck vom Geburtshaus. Und genau da hängt jetzt die Mutter, und es ist für mich so Inside-outside. Ja, ich sehe von außen das Geburtshaus, und ich sehe die Mutter von innen, die genau in diesem Eck des Hauses vorm Fenster sitzt und die Bibel liest. Ja, das find ich einfach irgendwie kongenial.

Man merkt es ihr an: Die gebürtige Bernauerin Margret Köpfer ist begeistert von ihrem kleinen Museum und seinen vielfältigen Möglichkeiten, den Maler und sein Werk bekannt zu machen. Bevor Hans Thoma im Alter von knapp 60 Jahren Direktor der Karlsruher Kunsthalle wird, Abgeordneter in der badischen Landeskammer und schließlich 1924 als hochbetagter A-Promi zu Grabe getragen wird, hat er als Künstler jahrzehntelang mit vielen Vorurteilen zu kämpfen:

Er war bei seinen Kollegen als „Hühnermaler“ verschrien, weil er so an seinen ländlichen, bäuerlichen Motiven festhielt. Und wir haben wunderschöne Hühner von ihm, also da weiß man dann überhaupt nicht, warum das ein Schimpfwort sein soll, weil er hat sie wirklich saugut drauf.

Mutter und Schwester unterstützen die Karriere des brotlosen Hühnermalers, und jahrelang lebt die Familie vom Erlös der Blumenbilder seiner Ehefrau Cella, die sich viel besser verkaufen lassen. Erst am Anfang des 20. Jahrhunderts stellt sich auch für Hans Thoma der Erfolg ein. Dann aber durchschlagend. Er wird zum Lieblingsmaler der Deutschen.

Das hat auch ein bisschen was mit der Zeit zu tun, weil eben die Industrialisierung in vollem Gange war. Und da hat sich der Mensch halt irgendwie so nach dieser Natur gesehnt, so wie Hans Thoma halt auch. Und für ihn war halt das Idealbild der Natur eigentlich oft einfach die Bernauer Landschaft.

Diese heimische Landschaft findet sich übrigens auch auf Bildern mit Szenen aus der Bibel. Als im Jahr 1912 endlich die beiden Altarbilder geliefert werden, die Hans Thoma seiner Heimatgemeinde für die Kirche St. Johannes schon lange versprochen hat, sind die Bernauer freudig überrascht. Denn auf dem einen sieht man …

… Maria über dem Bernauer Tal, das zeigt ja auch wieder irgendwie seine Heimatverbundenheit, wie die da über dem Ortsteil Innerlehen schwebt. Und es ist was zwischen Heiligenbild und Landschaftsbild. Und na ja, Johannes, der Täufer, das ist halt Rheinebene. Und er hat es bestimmt irgendwie ein bisschen angleichen wollen an die biblische Landschaft, aber eindeutig Rheinebene.  

Hans Thoma hat wohl verstanden, was Mutter Rosa ihm aus der Bibel zu vermitteln suchte, und er hat mit seinen künstlerischen Mitteln umgesetzt, was die biblische Botschaft zu allen Zeiten will: Mitten im Leben der Menschen ihre Wirkung entfalten. 

 

Überblick Hans-Thoma-Kunstmuseum in Bernau im Schwarzwald.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40986
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