SWR4 Abendgedanken
Als ich 1983 mein Abitur gemacht habe, sind amerikanische Mittelstreckenwaffen in Deutschland stationiert worden. Mit Atomsprengköpfen, zur Abschreckung gegenüber Russland. Ich war damals dagegen wie viele meiner Generation, weil wir es für sinnlos gehalten haben mit Waffen zu drohen. Ich hatte deshalb auch einen Aufkleber auf meinem Auto, auf dem stand: Schwerter zu Pflugscharen. Heute nach über vierzig Jahren ist für mich das dazugehörende Bibelzitat aktueller denn je: Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und ihre Lanzen zu Winzermessern. Sie erheben nicht das Schwert, Nation gegen Nation, und sie erlernen nicht mehr den Krieg[1]. Diese Vision einer friedlichen Welt hat der Prophet Jesaja festgehalten. Weil es für ihn der Plan ist, den Gott mit seiner Welt hat. Und solange es nicht so ist, so lange hat Gott sich nicht durchsetzen können, und es wird Lügen gestraft, was ihm wichtig ist.
2026 sollen in Deutschland neue Raketen stationiert werden. Aus dem gleichen Grund wie einst. Ich kann es nicht fassen, dass wir einfach nicht weiterkommen, dass die Menschheit in der Spirale der Gewalt stecken bleibt. Mein Auto hätte Platz für den alten Aufkleber. Aber ob der was nützt? Schließlich muss man doch den Realitäten ins Auge blicken. Ja, das muss man, und ich mache das auch. Ich weiß, dass Russland die Ukraine angegriffen hat. Ich weiß, dass Israel eingekesselt ist von Nachbarn, die das kleine Land ausradieren wollen. Aber ich weiß auch, dass Waffen keine Lösung sind, dass Abschreckung nie zu echtem Frieden führen kann. Und ich leide darunter, dass ich keine Lösung parat habe. So wenig, wie alle anderen, die dem Krieg ein Ende machen wollen. Ich bin fest davon überzeugt, dass die einzige Möglichkeit darin besteht, die Spirale der Gewalt zu unterbrechen. Aus diesem Grund gibt Jesus den heiklen Rat, die andere Wange auch noch hinzuhalten. Ghandi propagiert den gewaltlosen Widerstand. Ich bin nicht in der Position, anderen so einen Ratschlag zu geben. Weil ich weiß: das klingt wie Hohn in den Ohren derer, die unschuldig angegriffen wurden. Gibt es also keinen Weg, der aus dieser Zwickmühle herausführt?
Politik ist oft ein deprimierendes Geschäft. Wenn Vertrauen einmal verspielt ist, wird es schwer sich zu verständigen, den anderen zu verstehen. Dagegen aber kann man sehr wohl etwas tun. Vertrauensbildende Maßnahmen heißt es, wenn sich Gegner an einen Tisch setzen, wenn kluge Verträge geschlossen werden. Wenn immer und immer wieder Menschen des einen Landes sich mit denen des anderen treffen und gemeinsam etwas auf die Beine stellen. Nur über Vertrauen entsteht Frieden. Und da ist auf allen Seiten noch viel Luft nach oben.
[1] Jesaja 2,4
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40975