SWR4 Abendgedanken
Ein Orchester aus Russen und Ukrainern. Bringt das was für den Frieden? Iván Fischer ist fest davon überzeugt, dass es so ist. Fischer stammt aus Ungarn und ist Jude. Er ist Dirigent von Weltrang, dirigiert in den USA und in Israel, in Wien und natürlich in Budapest. So zuletzt am 31. August dieses Jahres bei einem Konzert für den Frieden, kostenlos für alle auf dem Heldenplatz der ungarischen Hauptstadt. Das interessante dabei ist: Das Orchester war zusammengesetzt aus Russen und Ukrainern, aus Israelis und Arabern. Das soll zeigen, dass Musik Ängste und Misstrauen abbauen kann. Der Dirigent Iván Fischer formuliert es so: „Mit der Musik wollen wir unsere gemeinsame Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass das durch den bewaffneten Konflikt verursachte Leid ein Ende haben kann und die Zukunft von gegenseitigem Respekt und Frieden geprägt sein wird.[1]“ Schon früher hat Fischer solche Konzerte organisiert und als junger Dirigent das Budapest Festival Orchestra gegründet – ganz ausdrücklich zur Verständigung mit den Juden in seinem Heimatland Ungarn.
Ich höre gern Musik, besonders am Abend. Dann lasse ich oft nochmals vorüberziehen, was den Tag über so war. Nicht nur, was sich bei mir so getan hat, sondern auch, was in der großen weiten Welt passiert ist. Oft bin ich dann niedergeschlagen oder traurig. Weil es so viel Schlimmes gibt, und weil ich an die vielen Unschuldigen denken muss, die unter den Kriegen in ihrem Land leiden. Aber auch, weil ich mich so hilflos fühle. Ich bin kein berühmter Dirigent. Was kann ich tun, dass sich an diesem Hass etwas ändert? Mit dieser Frage bleibe ich dann oft ratlos zurück.
Manchmal frage ich aber auch, ob das stimmt, und ob das Wenige, das Kleine und Unscheinbare, das mir möglich ist, wirklich so rein gar nichts bringt. Immerhin bete ich für die Armen und Ausgebombten. Ich betone in Diskussionen wie wichtig es ist nicht nur vom Krieg und den Waffen zu sprechen, sondern so oft wie möglich über den Frieden. Ich rufe hier im Radio zur Verständigung auf, weil böse Gedanken und Hass im Kleinen, im eigenen Herzen beginnen. Ich suche den Kontakt mit Andersdenkenden. Ich versuche zuzuhören und zu verstehen, warum andere anders denken als ich. Und ich mache den Mund auf, wo ich sehe, dass jemand sich rücksichtslos verhält.
Das sind Kleinigkeiten im Vergleich mit der großen Gewalt eines Krieges. Aber es ist das, was ich tun kann. Kleine Zeichen. Und ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass auch sie etwas bewirken.
[1]https://ungarnheute.hu/news/budapester-festivalorchester-veranstaltet-kostenloses-friedenskonzert-auf-dem-heldenplatz-75667/#:~:text=Ungarn%20Heute%202024.08.08.&text=Iván%20Fischer%20und%20das%20Budapester,Respekt%2C%20Freundschaft%20und%20Liebe%20werben.
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