SWR Kultur Wort zum Tag

02NOV2024
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Religion spielt im us-amerikanischen Wahlkampf eine große Rolle. Wenn ich das so beobachte, erschrecken mich immer wieder die radikalen Aussagen von fundamentalistischen Christen. Zum Bespiel zum Thema Homosexualität. Da wird immer wieder behauptet, homosexuelle Liebe sei gemäß der Bibel Sünde und verboten. Aussagen hierzu seien eindeutig. Und ja, es stimmt:

Es gibt Bibelverse, die den Geschlechtsverkehr zwischen Männern scheinbar kritisieren oder gar verbieten. (z. B. Lev 18,22)

Auffällig finde ich aber: Zu einem Sexualakt zwischen zwei Frauen wird in der Bibel nichts gesagt. Eine solche Differenzierung habe ich aber von Menschen, die homosexuelle Liebe abwerten, noch nie gehört. Da wird Homosexualität per se mit biblischer Begründung abgelehnt.

Ich leugne natürlich nicht, dass es diese wenigen ablehnenden Stellen zum Thema Sex zwischen Männern gibt. Aber ich denke, man muss sie heute anders einordnen. Dass die Bibel nicht wörtlich zu verstehen ist und sie ein Zeugnis der Zeit ist, in der sie entstanden ist, ist ja eigentlich auch keine große Neuigkeit mehr. Man muss biblische Texte analysieren und sie auf Basis dessen interpretieren. Und einzelne Aussagen können nicht einfach zusammenhanglos auf heute übertragen werden.

Wichtig dabei finde ich auch nach innerbiblischen Gewichtungen Ausschau zu halten.

Jesus wird einmal gefragt, was für ihn das wichtigste Gebot ist. Er antwortet mit dem sogenannten Doppelgebot der Liebe: Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele mit all deiner Kraft. Und: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Da steckt ganz viel drin. Dreifache Liebe. Die Liebe zu Gott, zu den Mitmenschen und zu sich selbst. Das ist nach Jesus das Wichtigste. Er konkretisiert das immer wieder in Aussagen und Erzählungen. Und ich glaube zum Beispiel, wer seine eigene Sexualität nicht ausleben kann oder darf, dem fällt es auch schwer sich selbst zu lieben. Dieses Doppelgebot der Liebe wiegt für mich viel schwerer als einzelne ablehnende Aussagen zu einem Sexualakt zwischen zwei Männern.

Wer liebt orientiert sich an der Bibel.[1] Diesen Satz habe ich mal gelesen und ich finde, er bringt es auf den Punkt. Wer jemand anderen liebt und Verantwortung in einer Partnerschaft übernimmt, orientiert sich an der Bibel: Egal welches Geschlecht er oder sie hat.

 

[1]https://fragen.evangelisch.de/frage/5226/was-sagt-die-bibel-zur-liebe-zwischen-zwei-frauen

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40953
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