SWR Kultur Wort zum Tag
Was hat Martin Luther eigentlich mit einem Kürbis zu tun? Auf den ersten Blick eigentlich nichts. Außer natürlich, dass der Reformationstag, an dem an Luthers Thesenanschlag erinnert wird, und Halloween, wie jedes Jahr, auf denselben Tag fallen. Aber eines gibt es doch, dass Luther und den Kürbis verbinden: Beide haben es mit der Angst zu tun.
Die Lichter im Kürbis sollen böse Geister vertreiben: Dämonen, den Teufel – wie auch immer man das bedrohlich Dunkle bezeichnen will. Menschen sind mit dem Anzünden der Kerze im Kürbis ihrer eigenen Angst begegnet, so ist zumindest der Brauch entstanden. Sie wollten ihrer Angs quasi ins Gesicht schauen und sie gleichzeitig vertreiben.
Auch Martin Luther hatte mit vielen Ängsten zu kämpfen. Er hat innerlich mit dem Teufel gerungen und sich vor der Hölle gefürchtet. Er hatte Angst vor Gottes Strafen. Luther lebte da ganz im Weltbild des Mittelalters mit seinen schaurigen Darstellungen von Hölle und Fegefeuer. In einem Brief an Erasmus von Rotterdam schreibt er: Ich „bin mehr als einmal bis in die Tiefe und in den Abgrund der Verzweiflung hinabgestoßen worden, sodass ich wünschte, ich wäre nie als Mensch erschaffen worden.“[1] Der evangelische Reformator wollte alles richtig machen und ist daran gescheitert.
Aber er hat gelernt, mit seiner Angst umzugehen. Er hat sich ihr gestellt. Geholfen hat ihm dabei das Lesen in der Bibel. In biblischen Gebeten, in den Psalmen, hat Luther zum Beispiel Ausdrucksformen für seine eigenen Ängste gefunden. Für was er selbst keine Worte gefunden hat, konnte er mit Hilfe der Worte anderer zur Sprache bringen. Und vor allem hat er entdeckt, dass Gott nicht straft, wenn er etwas falsch macht, sondern dass Gottes Wesen barmherzig ist. Luther hat in der Bibel einen Gott gefunden, der vergibt und verzeiht.
Luther sei Dank sind viele Menschen nach ihm mit dem Bild eines barmherzigen Gottes aufgewachsen. Ich fürchte mich heute nicht vor der Hölle oder Gottes Strafen. Sicher ein Gewinn an Lebensqualität. Angstfrei lebe ich trotzdem nicht. Ich finde, man kann sich von Luther abschauen, dass man versuchen soll, sich nicht von seinen Ängsten übermannen zu lassen. Nicht vor der Angst erstarren. Sondern sich ihr zu stellen, versuchen sie auszudrücken. Auf welchem Weg auch immer. Es kann der Beginn sein, Ängste zu überwinden.
[1] Gefunden auf: https://mut-und-angst.de/aengste-und-glaube/luthers-wichtigster-kampf.html.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40952