SWR Kultur Wort zum Tag
„Der wird sich wundern, wenn er die Augen aufmacht!“
Das soll Christoph Blumhardt so gesagt haben. Nachdem er erfahren hat, dass August Bebel gestorben war. Der war Sozialist und erklärter Atheist. Christoph Blumhardt selber war auch Sozialist – und evangelischer Pfarrer. Er war zu Anfang des 19. Jahrhunderts Landtagsabgeordneter für die SPD. Das war damals eine Seltenheit. Und für viele in der Kirche ein Ärgernis: „Als Pfarrer sich mit Sozialisten gemein machen - das geht doch gar nicht. Die sind doch Atheisten. Die lehnen doch Religion ab.“
Hassmails hat er noch keine bekommen können – aber Ablehnung in Hülle und Fülle. Blumhardt hatte Kontakte zu Sozialisten und anderen Andersdenkenden. Viele - wie auch Rosa Luxemburg - sind zu ihm nach Bad Boll gekommen – an den Rand der Schwäbischen Alb - , wo er lange als Seelsorger und Prediger im Kurhaus gewirkt hat. Man hatte von seiner glühenden Sehnsucht nach dem Reich Gottes gehört. Und von seiner Erwartung, dass mit Christus sich Frieden und soziale Gerechtigkeit in der Welt ausbreiten. Für Christoph Blumhardt war klar: Für dieses Anliegen steht in der Realpolitik hier auf Erden die Sozialdemokratie. Und so hat er sich dann auch in dieser Partei engagiert.
Ich frage mich: Wie ist Blumhardt damit klar gekommen, dass zwar viele seine politischen Ansichten geteilt haben, aber so ganz und gar nicht seinen Christusglauben? Blumhardt konnte damit offenbar gut umgehen. In Respekt vor den Überzeugungen Anderer - ohne dabei seinen eigenen Glauben zu verschweigen. Das imponiert mir so sehr an seinem Wort über den Verstorbenen August Bebel: „Der wird sich wundern, wenn er die Augen aufmacht!“ Trocken und mit Herzblut ist das gesagt. Und im Wissen darum: Bebel hat niemals damit gerechnet, sich über seinen Tod hinaus über irgendetwas zu wundern. Für ihn war mit dem Tod alles aus.
Blumhardts Zuspruch geht darüber hinweg, charmant und mit liebevollem Augenzwinkern. Ohne Besserwisserei oder Rechthaberei. Gesprochen aus der Mitte seines Hoffens und Glaubens: Der Tod hat nicht das letzte Wort. Der Ewige, der den Juden Jesus von Nazareth aus dem Tod ins Leben gerufen hat, der wird auch den Atheisten August Bebel nicht vergessen. Auch Bebel wird einst der Herrlichkeit Gottes ansichtig werden. Wird aufgenommen in sein Reich. Weil – wie es in der Bibel heißt – „Gott die Liebe ist“ - und es am Ende nur darum geht:
„Wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ (1.Joh 4,16)