Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
„Hier sieht es ja aus wie im Hürtgenwald“. Das war so ein Ausdruck bei uns daheim, wenn mal wieder Unordnung und Chaos im Kinderzimmer herrschte. Das echte Chaos im echten Hürtgenwald begann heute vor 80 Jahren am 2. November 1944. In der so genannten Allerseelenschlacht versuchten amerikanische Truppen durch den dichten Wald südlich von Aachen in Nordrhein-Westfalen in Richtung Rhein vorzudringen. Eine fatale Fehlentscheidung der amerikanischen Generäle. Zu unwegsam war das Gelände und viel zu dicht der Wald. Am Ende waren 24.000 Amerikaner und Deutsche tot und noch viel mehr verwundet an Leib und Seele. Bis heute, 80 Jahre später, ist es gefährlich in diesem Wald abseits der Wege zu spazieren. Denn immer noch liegen Munition und Minen herum, die noch nicht entdeckt sind. Der Geburtsort meines Vaters am Rand des Hürtgenwaldes ist damals komplett zerstört worden. Und der Zufall wollte es, dass zwei meiner Onkels als junge deutsche Soldaten irgendwo dort im Schützengraben auf andere junge Männer schießen mussten. Beide haben zum Glück überlebt. Onkel Franz und Onkel Willi habe ich als sanfte, ruhige Männer kennen gelernt, die keiner Fliege etwas zuleide tun konnten. Im Krieg damals mussten sie durch die Hölle gehen. Vielleicht denken Sie ja jetzt: Warum erzählt der uns das heute Morgen? Kann man diese ganzen Kriegsthemen nicht einfach mal ruhen lassen? Nein, das kann man nicht. Denn Menschen sind fürchterlich vergesslich. Deshalb muss man erinnern, was Kriege anrichten. Die aktuellen Kriege und Auseinandersetzungen zeigen das nur zu deutlich. Mir macht das Angst. Und ich bin ratlos, welche Politik heute die richtige sein könnte. Kluge und besonnene Menschen sind da gefragt. Denn: Fehler in Politik und Gesellschaft, die zu Kriegen führen, die dürfen sich nicht wiederholen. Das sind wir den Millionen Toten der Kriege schuldig, und mehr noch uns, den Lebenden. Denn uns allen sollte so ein Schicksal erspart bleiben.
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