Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Ein Besuch auf dem Friedhof ist nicht jedermanns Sache. Es gibt Menschen, die haben damit richtig Probleme. Sie wollen nicht an Sterben und Tod erinnert werden. Ich persönlich gehe gerne auf Friedhöfe. Der bei uns zu Hause ist alt. Er ist fast wie ein Park, mit viel Grün und Bäumen. Es ist ruhig, Vögel zwitschern, manchmal sieht man Eichhörnchen. An vielen Stellen stehen große alte Grabsteine aus vergangenen Jahrhunderten.
Eins fällt allerdings auf: die Begräbniskultur in Deutschland wandelt sich rasant. Man sieht mehr Urnengräber und Urnenwände. Es gibt anonyme Grabfelder. Viele Menschen lassen sich gar nicht mehr auf dem Friedhof sondern in Friedwäldern unter Bäumen beerdigen. Oder wählen eine Seebestattung. Auf den Friedhöfen sieht man deshalb immer mehr freie Flächen. Früher herrschte auf Friedhöfen oft Platzmangel. Heute ist davon keine Rede mehr. Es klingt irgendwie paradox, aber hier und da wird überlegt, wie man den Friedhöfen wieder mehr Leben einhauchen kann. Früher trafen sich die Menschen hier, um ihre verstorbenen Angehörigen zu besuchen, um die Gräber zu pflegen, Blumen zu pflanzen und ausgiebige Schwätzchen zu halten mit den Menschen, die nebenan das Unkraut zupften. Die Zeiten sind vorbei und oft genug gehe ich ganz alleine über die Wege auf unserem schönen alten Friedhof. Dann überlege ich: wie wär es denn mit einer Picknickwiese und einem Kiosk? Ob ein Kinderspielplatz und mehr Bänke denkbar wären? Oder ab und zu ein Konzert auf einer Freifläche mit „Knockin`on heavens door“ oder „Tears in heaven“. Das mag schräg klingen Aber ich fände es schön, wenn unsere Friedhöfe wieder mehr zum Begegnungsort für Lebende werden könnten. Und da ist durchaus Kreativität gefragt. Dann wäre ich kein einsamer Spaziergänger mehr auf dem Friedhof. Und unsere Toten hätten trotzdem oder gerade deshalb eine würdige letzte Ruhestätte.
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