Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Mein Vater war Jahrgang 1921.
In seiner Familie gab es abends oft Brot mit Schiebewurst. Eine große Scheibe Brot mit einer kleinen Scheibe Wurst. Die konnte man dann entweder direkt als erstes verspeisen oder sie auf dem Brot immer weiter nach hinten schieben, bis dann beim letzten Bissen die ganze Scheibe Wurst auf dem Rest Brot wunderbar schmeckte – nach der langen Vorfreude.
In den 60ger Jahren war es schon anders: wenn die Scheibe Wurst größer war als das Brot, fand ich das prima. Aber die Eltern brachten mir bei, den Überhang abzuschneiden und für eine weitere Scheibe Brot zu verwenden. OK, so war es.
Heute geht es den meisten Leuten in Deutschland wirtschaftlich besser als den Kindern in den 1930ger Jahren und den Kindern in den 1960ger Jahren.
Aber.
Dann lese ich, dass 2024 der deutsche Erdüberlastungstag auf den 2. Mai gefallen ist.
Mich hat diese Nachricht wirklich schockiert. Seit dem 2. Mai kann die Erde nicht mehr das reproduzieren, was wir bis zum 31. Dezember noch nutzen werden.
Was wir an Wasser, Holz und Ackerland bis zum Ende des Jahres noch verbrauchen, kann die Erde nicht bereitstellen – wir nehmen es für uns in Anspruch aus dem, was anderen Menschen in der Welt zusteht.
Die Übernutzung ist hierzulande so groß, dass wir drei Erden bräuchten, wenn für alle Menschen auf der Welt eine solche Lebensweise möglich werden sollte wie für uns. Es gibt aber nur eine Erde, soweit ich weiß.
Für mich hat das was mit Gerechtigkeit zu tun. Und es wundert mich nicht, dass so viele Menschen aus den armen Ländern in der Welt bei uns leben wollen.
Es wäre gerecht, wenn sie so leben könnten wie wir. Also müssen wir unseren Standard ein bißchen zurückschrauben. Gelegentlich mal Brot mit Schiebewurst, das reicht vermutlich nicht. Wir müssen mehr verändern.
Dann ist hoffentlich der Erdüberlastungstag 2025 erst am 10. Mai oder so und verschiebt sich jedes Jahr weiter nach hinten.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40930