Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

02NOV2024
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In diesen Sommer ist unser Onkel gestorben. Auf der Trauerfeier für ihn habe ich ganz bewusst die folgende Fürbitte gesprochen:

„Guter Gott - Wir bitten für diejenigen, die sich in den Kliniken um die Kranken kümmern: dass sie sich für ein würdevolles Leben und für ein würdevolles Sterben einsetzen.“

Diese Fürbitte hatte einen Grund. Weil wir in den Wochen vor dem Tod des Onkels folgendes erlebt hatten: Nach einem Sturz zuhause wurde er in die Klinik gebracht. Gebrochen hatte er sich Gott sei Dank nichts, aber es wurde schnell klar: Da gibt es einige Probleme bei dem fast 85-jährigen, er kann nicht mehr alleine zuhause leben. Nach ein paar Wochen hatte er sich ganz ordentlich erholt, Ärzte und das Pflegepersonal haben ihn wirklich gut versorgt; er sollte demnächst in ein Pflegeheim entlassen werden. Und dann kam an einem Morgen plötzlich ein Anruf. Von einer anderen Klinik. Dorthin wurde er verlegt, völlig überraschend, niemand hatte uns informiert.

Von einem Arzt wurden wir am Telefon gebeten, einer Herz-Operation zuzustimmen, es sei dringend. Wir wussten zwar, dass der Onkel mit dem Herz ein Problem hatte, aber über eine Operation wurde nie gesprochen, das war überhaupt nicht geplant. Mein Bruder war am Telefon, er hatte die Gesundheitsvollmacht für den Onkel, und sagte dann zu dem Arzt: „Wir müssen Ihnen vertrauen. Wenn Sie sagen, die Operation ist jetzt notwendig, dann operieren Sie.“

Unser Onkel ist nach der Operation nicht mehr aufgewacht und eine Woche später verstorben. Weil er sein Leben lang im Staatsdienst gearbeitet hat, war er privatversichert. Die Rechnung für diese Herz-OP ist deshalb auf unserem Tisch gelandet: 35.000 Euro. Nur die OP.

Natürlich kann ich nichts beweisen; aber alle Fakten, Gespräche und Informationen deuten für mich darauf hin: Bei dieser OP stand nicht der Patient im Mittelpunkt. Mit Kranken kann man heute einfach gute Geschäfte machen! Das ist leider vielfach Tatsache. Unser Onkel wurde in eine jener Kliniken verlegt, die einem großen Konzern gehören. Sie wird also privatwirtschaftlich betrieben und schüttet jedes Jahr Gewinne an ihre Aktionäre aus. Mehr als jede dritte Klinik in Deutschland gehört so einem Investor.

Meine Fürbitte mag in den Ohren eines Konzernchefs wahrscheinlich lächerlich klingen. Aber ich wiederhole sie trotzdem – und ergänzen sie noch. Denn wo mit unserer Gesundheit Geschäfte gemacht werden, da bleiben Menschlichkeit und Würde auf der Strecke.

Deshalb noch einmal: „Guter Gott - Wir bitten für diejenigen, die sich in den Kliniken um die Kranken kümmern: dass sie sich für ein würdevolles Leben und für ein würdevolles Sterben einsetzen. Und: dass sie den Mut haben, sich gegen die Kommerzialisierung im Gesundheitswesen zu wehren.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40923
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