Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Als ich nach einem langen Tag hungrig nach Hause komme und die Tür öffne, steigt mir ein wunderbarer Duft in die Nase: Gefüllte Paprika! Herrlich!
Seit Kindertagen liebe ich diesen Geruch und dieses Gericht. Und als ich am Herd in den Bräter schaue, da strahlen sie mich an, die bunten Schoten. Tiefrot, gelb, orange und grün.
Und die Füllung aus Reis, Hackfleisch, Zwiebeln, Knoblauch und Petersilie… Das Ganze scharf angebraten. Wunderbar. Ich könnte mich reinlegen.
Wenn jetzt als Beilage noch der schwäbische Kartoffelsalat serviert wird …
Schwäbischer Kartoffelsalat?
Ja, Sie haben richtig gehört. Schwäbischer Kartoffelsalat zu gefüllter Paprika. Was sich zumindest mal verwegen anhört, ist in unserer Familie ganz normal. Und dazu gibt es eine Geschichte:
Als bei meinen Großeltern ins relativ neu gebaute Häusle nach dem Krieg eine Familie einquartiert wurde, die aus Bessarabien ins Schwabenland fliehen musste, war man zunächst mehr als skeptisch. "Flichtleng ins oigene Haus ond no au no glei so viel. Acht Leit en drei Zemmer."
Doch mit der Zeit näherte man sich an. Meine Großeltern und die Hausleute aus Bessarabien. Irgendwann war so viel Vertrauen da, dass auch zusammen gekocht wurde. Die Neckarschwäbin zeigte der Donauschwäbin, wie sie den weltbesten Kartoffelsalat macht, und die Donauschwäbin der Neckarschwäbin, worin das Geheimnis ihrer Paprika liegt und wie es gelingt, im ganzen Haus einen so wunderbaren süßlich-scharfen Duft zu verbreiten.
Und dann wurde gemeinsam gegessen. Gefüllte Paprika mit Kartoffelsalat. Um den Tisch herum in der großen Küche saßen zwölf Menschen. Und man aß und trank und erzählte sich vom Leben. Und weil es so gut schmeckte, saß man lange und erzählte viel.
So kam es, dass dieses Gericht bis heute einen festen Platz in der Rezeptsammlung unserer Familie hat.
Und wenn ich heute, mindestens 70 Jahre nach der Entstehung dieser Tradition, zu meiner Mutter komme und mir etwas zu Essen wünschen darf, dann wünsche ich mir gefüllte Paprika mit Kartoffelsalat. Weil dieses Gericht nach Heimat riecht und auch so schmeckt.
Heimat ist nicht nur ein geographischer Begriff. Sie entsteht auch da, wo sich Menschen öffnen und etwas voneinander zeigen. Wie die beiden Hausfrauen.
Und sowieso: Essen und Trinken hält nicht nur Leib und Seele zusammen, sondern verbindet auch Menschen miteinander.
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