Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

06NOV2024
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Alles war so gut vorbereitet für den Sommerurlaub.  Die Koffer gepackt, die Urlaubsliteratur ausgewählt, alle Buchungsunterlagen bereit.

Der Wecker klingelt um 4 Uhr morgens. Um 6:10 Uhr geht der Flieger ab Stuttgart nach Rom. So der Plan. Ich freue mich riesig. Es war viel los in diesem Jahr. Nach Dusche und Kaffee trage ich die Koffer ins Auto. Dann der Griff an die rechte hintere Hosentasche. Mein Geldbeutel. Wo ist der?

Zunächst bleibe ich noch ganz ruhig. Der muss an der Garderobe liegen. Leider Fehlanzeige. Nachttisch, Jackentaschen, Rucksack, Auto – ich werde hektisch. Der gut gemeinte Hinweis meiner Frau, ich solle jetzt doch mal ganz in Ruhe überlegen, wann und vor allem wo ich ihn zum letzten Mal in Händen hatte, ist nur wenig hilfreich. Es ist jetzt 5:05 Uhr, und mir wird immer klarer, dass das Flugzeug nicht warten wird, weil ich meinen Geldbeutel nicht finde.

Bitte, bitte, lieber Gott, das darf doch jetzt einfach nicht wahr sein. Mir fällt ein, dass ich ja noch einen Reisepass habe. Wenigstens das.  Und meine Frau ja auch eine Kreditkarte. Um 5:15 Uhr treffen wir die Entscheidung, dass ich ohne Geldbeutel den Urlaub antrete.

Eigentlich ein No-go. Zumal für mich, der ich so gerne alles im Griff habe.

Während der Fahrt zum  Flughafen, wo wir gerade noch rechtzeitig ankommen, sitze ich schweigend und kopfschüttelnd im Auto.

Nach dem Start der Maschine löst sich langsam die Anspannung. Ich bin froh, dass wir im Flugzeug sitzen und ich nicht immer noch wie ein Irrer durchs Pfarrhaus rase.

Dass ich im Urlaub, selbst wenn ich mir eine Kugel Eis kaufen möchte, meine Frau fragen muss, tut mir – der ich mich sonst immer für alles zuständig fühle – ganz gut.

Was ich seit diesem Morgen im Sommer 2024 weiß: Wenn es weitergehen soll, muss man zuweilen ziemlich unvorstellbare Entscheidungen treffen. Wie ohne Geldbeutel samt höchst wichtigen Inhalten in den Urlaub zu fliegen. Und ich weiß seither auch dass ich zur Not auch ohne all die scheinbar lebensnotwendigen Dinge klarkomme. Vorausgesetzt, es ist einer da der bereit ist, mir zu helfen.

Denn es wurde trotzdem ein wunderbarer Urlaub, auch dank meiner Frau und ihrer Kreditkarte.

"Suchet, so werdet ihr finden," sagt Jesus. Und: "Bittet, so wird euch gegeben." Das sagt er auch. Dass wir immer das finden, was wir zunächst suchen, das sagt er nicht. Und auch nicht, dass er uns immer das gibt, worum wir bitten. Die Bitten meiner Stoßgebete, die ich halb flehend, halb  fluchend zwischen 4 und 5 Uhr morgens durchs Pfarrhaus gefaucht habe, wurden nicht erfüllt. Und doch hat er mich gehört. Ganz sicher. .

Mein Geldbeutel, der lag übrigens die ganze Zeit auf meinem Schreibtisch. Ich hatte ihn einfach übersehen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40914
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