Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Auf den heutigen Abend freue ich mich granatenmässig. Ich habe Karten für ein BAP-Konzert mit Wolfgang Niedecken.
Ein Abend wie ein Fenster, aus dem warmes Licht herausscheint, wenn es draußen nasskalt ist und man genau weiß: Da drinnen wartet jemand auf mich. Ein Abend wie Heimkommen.
Auch, weil ich die Lieder des Sängers aus Köln jetzt schon über 40 Jahre lang im Gepäck habe. Auch, weil ich beim Konzert einen meiner besten Freunde treffen werde.
Heimkommen.
Wie gut, dass es Heimatorte auf Erden gibt. Nicht nur geografisch. Orte, an denen Vieles vertraut ist.
So wie es heute Abend sein wird, wenn als eine der Zugaben ziemlich sicher „Verdammt lang her“ durch die Halle schallen wird.
„Verdammt lang her“ hat Wolfgang Niedecken übrigens in Erinnerung an seinen Vater geschrieben. .
„Verdammt lang her, dass ich bei dir am Grab war“, so eine der Textzeilen.
Kürzlich war ich auf einem Friedhof und bin auch an einem Grabstein stehengeblieben. Gestaltet wie ein kleiner klassischer Tempel. Am First des baldachinartigen Daches nur ein Wort, geschrieben in großen, von Grünspan gezeichneten Jugendstil-Lettern: „Heimgegangen“.
Obwohl ich noch immer sehr gerne lebe: Ich glaube, das soll auch mal auf meinem Grabstein stehen. „Heimgegangen“. Das hat nämlich was Warmes. Das klingt nach warmem Licht aus einem Fenster an einem kalten Novemberabend.
Heinrich Böll fällt mir dazu ein. Auch ein Kölner wie Wolfgang Niedecken. Er hat die Frage, warum er an Gott glaubt, so beantwortet:
„Ich glaube wegen der Tatsache, dass wir alle eigentlich wissen – auch wenn wir’s zugeben – dass wir hier auf der Erde nicht ganz zu Hause sind.“
Ich stimme ihm zu, dem großen Erzähler und Nobelpreisträger. Und ich glaube: Weil wir hier nicht ganz zuhause sind, gerade deshalb sind wir auf der Suche nach Heimat.
Deshalb sehnen wir uns alle danach, irgendwie und irgendwo anzukommen. Und deshalb sind viele Wege in unserem Leben, Versuche nach Hause zu finden. Also Heimwege.
Dass wir Heimatorte finden und Heimatklänge – wie ich hoffentlich heute Abend im Konzert, und dass es Orte gibt, an denen Menschen auf uns warten und dass wir unser Leben lang unterwegs sind zu einem Heimatort, einem Haus, aus dem warmes Licht herausscheint – das ist mein Wunsch für uns alle heute Morgen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40913