SWR3 Gedanken
Ich liebe Annette Frier. Sie braucht gar nichts zu sagen - ich finde es schon lustig, wenn sie in Comedyformaten einfach nur Grimassen schneidet, rumhüpft oder einen Lachkrampf bekommt. In ihrem aktuellen Fernsehfilm „Soweit kommts noch“* macht sie mich bei allem gewohnten Humor zusätzlich aber noch ganz schön nachdenklich. Sie spielt darin Bärbel Schmitz, die für ihren Mann mangels weiterer Ideen ein Hemd zum Geburtstag kauft. Als sie es auf einen Bügel hängt, damit es keine Falten schlägt, flattert ein kleiner Zettel aus der Verpackung auf den Boden. Bärbel Schmitz liest die englischen Worte darauf und übersetzt: Ich brauche Hilfe! Meine Familie und ich sind arm und wir haben kein Geld für Essen und Medizin. Rani Manabendra Chandra. Bangladesch.
Der Film fußt auf einer wahren Begebenheit. Und er fußt auf Fakten der Textilindustrie: Viele Hemden, Jeanshosen, Shirts oder Jacken „Made in Bangladesch“ und anderen asiatischen Ländern werden für Hungerlöhne produziert. Kein freier Tag in der Woche. Katastrophale hygienische Zustände.
Ich muss nicht darauf warten, dass ein Hilferuf aus meinem Hemd flattert. Ich kann mich sofort nach fair gehandelter Kleidung umschauen - im Netz und in immer mehr Läden auch im Südwesten. Und ich kann politische Initiativen wie das jüngst beschlossene europäische Lieferkettengesetz unterstützen. Damit die Lieferketten bis zu den Nähereien kontrolliert werden und sich endlich was ändert.
Im Film fragt sich Bärbel Schmitz in einer Szene: Wie ist das denn mit der Nächstenliebe - wer ist mein Nächster? Und nimmt dann über eine Organisation Kontakt auf mit Rani aus Bangladesch. Auch wenn der ganz weit weg wohnt, für Bärbel ist es jetzt ihr Nächster.
*https://www.zdf.de/filme/herzkino/so-weit-kommts-noch-100.html
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