SWR4 Abendgedanken
„Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst verliert und Schaden nimmt?“ Diese Frage steht schon in der Bibel. Jesus hat sie gestellt. Er war drei Jahre lang mit seinen Jüngern unterwegs von Ort zu Ort. Auf diesen Wegen haben sie ihn beobachtet und kennengelernt. Er hat ihnen viel von dem erzählt, was ihn innerlich bewegt hat. Aber sie haben auch miterlebt, wie er Kranke heilt und Traurige tröstet. Wie er seinen Kopf durchsetzt, wenn er glaubt, dass es nötig ist. Und wie er mit denen streitet, die glauben, alles besser zu wissen über Gott. Und wenn ihm alles zu viel wurde und er erschöpft war, hat er sich zurückgezogen an einen einsamen Ort. Auch das haben seine Freundinnen und Freunde von ihm gelernt. Sie haben gespürt, dass eine große Kraft von ihm ausgeht.
Wer das alles verstehen will, muss mit ihm gehen. Das haben viele damals begriffen und haben sich mit ihm auf den Weg gemacht. Es berührt mich sehr, dass offenbar auch vor so langer Zeit schon viele Menschen das Gefühl hatten, „sich selbst zu verlieren“. Das scheint nicht nur ein modernes Phänomen zu sein. Ich höre diesen Satz öfter, wenn Menschen zu Besinnungstagen kommen. Sie sagen dann: „Ich glaube, ich habe mich selbst verloren“, und oft laufen schon die Tränen. Sie spüren sich nicht mehr richtig. Wissen nicht mehr, was sie wirklich wollen, was ihnen guttut, was sie brauchen. Aber allein das Angebot, darüber sprechen zu dürfen, ist schon eine erste Hilfe. Und was die meisten dann als Erstes wieder spüren ist, dass sie traurig sind, müde und voller Schmerz.
Manchmal ist diese Not so groß, dass ein paar Tage Auszeit nicht ausreichen. Dann braucht es therapeutische Hilfe, vielleicht auch eine Reha. Oft aber können mehrere Tage Stille und Einkehr schon viel bewirken. Dann kann jemand erst mal ausruhen, sich besinnen, in sich hineinhorchen, einmal nichts tun. Nichts tun hilft dabei, mehr über das eigene Leben nachzudenken. Vielleicht auch beten. Und in all dem kann jemand auch neu entdecken: Jesus will mein Freund sein. Er geht mit mir durch mein Leben. Er ermuntert mich, mehr in die Tiefe zu schauen. Äußerliches ist nicht so wichtig. Mit Jesus an meiner Seite bin ich genug. Da muss ich nicht noch die halbe Welt gewinnen. Und das ist eine großartige Entdeckung.
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