Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

22OKT2024
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Auf unserer Bergtour im Sommer haben wir im Matratzenlager übernachtet. Dreißig wildfremde Menschen dicht an dicht im gleichen Raum, das ist schon speziell – und ich bin ganz dankbar, dass ich normalerweise ein eigenes Bett zur Verfügung haben. Trotzdem waren diese Nächte im Matratzenlager für mich eine richtig gute Erfahrung. Vor allem deshalb, weil ich erstaunt war, wie gut das Miteinander auf engstem Raum geklappt hat – weil alle aufeinander Rücksicht genommen haben.

Der Umgangston war freundlich, alle sind bei Bedarf zur Seite gerückt und haben versucht, ihr Gepäck so zu verstauen, dass es niemanden stört. Und auch beim Schlafengehen gab es keine Probleme, obwohl ganz unterschiedliche Bedürfnisse aufeinandergetroffen sind: Der kleine Junge, der mit seiner Familie unterwegs war, war vom Tag in den Bergen total erschöpft und hat schon um 8 Uhr fest geschlafen. Auch das ältere Ehepaar hat sich früh aufs Lager zurückgezogen, genau wie die Familie aus den Niederlanden, die am nächsten Tag ganz früh auf den Klettersteig wollte. Der feierfreudige Freundeskreis aus dem Rheinland und die beiden amerikanischen Studenten haben dagegen unten in der Stube noch einen beschwingten Abend genossen – sind aber dann pünktlich zur Hüttenruhezeit mucksmäuschenstill mit Taschenlampen ins Lager geschlichen, um niemanden aufzuwecken.

Als ich nachts mal aufgewacht bin und gemerkt habe, wie friedlich alle um mich herum schlafen, habe ich mich richtig gefreut. Weil ich gespürt habe: Ganz unterschiedliche Menschen kommen auch unter beengten Verhältnissen miteinander klar, wenn alle aufeinander achten.

Klar, auf der Hütte ist es anders als im Alltag: Wer eine Hüttentour macht, stellt sich auf die Bedingungen dort ein, ist in der Regel freiwillig da, hat Urlaub und meistens einen schönen Tag in den Bergen hinter sich. Da ist es leichter, entspannt miteinander umzugehen als mitten im Alltagsstress.

Und trotzdem: Die Nächte im Matratzenlager haben mir gezeigt, dass es möglich ist, unter beengten Verhältnissen Rücksicht zu nehmen. Die Erfahrung versuche ich mitzunehmen auch in andere Situationen, in denen viele fremde Menschen auf engem Raum zusammenkommen: im Zug, bei dem mal wieder ein Wagen fehlt, im überfüllten Wartezimmer oder in der Supermarktschlange zum Beispiel. Auch da probiere ich, entspannt zu bleiben.

Ich bin sicher: Es lohnt sich – weil es das Leben so viel angenehmer macht. Eine „goldene Regel“, wie das besser gelingt, steht schon in der Bibel: Mit den anderen so umgehen, wie man selbst behandelt werden möchte. Meinen Nachbarn im Matratzenlager im Sommer ist das super gelungen.

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