SWR1 Begegnungen
Janine Knoop-Bauer trifft Olaf Jacobsen-Vollmer, Leiter der Beratungsstellen
Diplom-Psychologe, Systemischer Paar- und Familientherapeut (DGSF)
Halt geben, ohne den Halt zu verlieren
Mentale Gesundheit ist ein großes Thema. Die Frage: wie gehe ich mit Krisen um? Und wer oder was hilft mir, wenn ich nicht weiterweiß? Einer der in solchen Situationen helfen kann ist Olaf Jacobsen-Vollmer. Er ist Psychologe und leitet eine kirchliche Beratungsstelle. Überforderte Eltern, Menschen in schwierigen Trennungssituationen, aber auch Jugendliche mit psychischen Problemen finden dort eine offene Tür.
Wir bieten den Menschen, die zu uns kommen, einen geschützten Ort, an dem sie ihre persönlichen Probleme und Krisen besprechen können und in denen wir gemeinsame Lösungen erarbeiten können. Und dazu nutzen wir eine ganz breite Palette beraterischer und therapeutischer Methoden, um den Ratsuchenden in Bezug auf die eigene Selbstwirksamkeit zu helfen, so dass sie ihre Themen, ihre Krisen selbst bewältigen können.
Wer sich machtlos den eigenen Problemen ausgeliefert fühlt, verliert schnell das Wissen um die eigenen Stärken. Gemeinsam mit den Menschen, die zu ihm kommen, begibt sich Olaf Jacobsen-Vollmer deshalb auf die Suche. Manchmal mit einer einzelnen Person, manchmal sogar zusammen mit einer ganzen Familie, wenn der Zusammenhalt bröckelt. Er sagt: manchmal stehen die Menschen wie hypnotisiert vor ihren Problemen. Dann braucht es einen der den Bann löst und hilft das Denken in neue Bahnen zu lenken:
... dazu kann man manchmal eine Sichtweise verändern. Manchmal braucht es noch mal Netzwerke, die man aktiviert, oder neue Methoden. Kompetenzen, die man erlangt, um die Krisen, die Herausforderungen, die da vor einem stehen, zu bewältigen. Und vor allem, dass man das Gefühl hat ich bin fähig, das zu tun.
Doch bis sich dieses Gefühl einstellt, dauert es manchmal eine Weile. Besonders wenn ganze Familien zur Beratung kommen. Da kann es vorkommen, dass eine lange Geschichte von Verletzungen hinter einem Problem liegt. Da ist es wichtig zunächst eine Vertrauensgrundlage zu schaffen.
Wir versuchen allparteilich zu sein und die Menschen so wie sie sind, anzunehmen, dass wir sie nicht moralisch verurteilen oder sie in irgendeiner Art und Weise bewerten, sondern sie erst mal so annehmen, wie sie da sind und sie in ihrer Notlage zu sehen und zu erkennen und das auch zu würdigen. Das ist ein ganz wichtiger Teil unserer Haltung, weil sich damit Menschen in der Regel angenommen fühlen und in der Regel das Gefühl haben, sich hier auch ausreichend öffnen zu können, um in Prozesse einzusteigen.
Olaf Jacobsen-Vollmer leitet eine psychologische Beratungsstelle der evangelischen Kirche. Ich habe ihn gefragt, was das Besondere an der Arbeit dort ist:
Wir versuchen, dass hilfesuchende Menschen in der Begegnung, im konkreten Miteinander spüren, dass wir sie aus einer christlichen Grundhaltung heraus als Menschen mit all ihren Möglichkeiten Grenzen, Besonderheiten und Herausforderungen annehmen. Dass wir da nicht werten oder moralisch werden. (…) Wir nehmen uns vor, dass es gelingt, dass wir in dieser Begegnung zwischen den Menschen ein Stück weit die Liebe und die Zuwendung Gottes zwischen den Menschen spürbar machen. Dass wir in der Hinwendung zu den Ratsuchenden ein Stück weit auch Kirche erfahrbar und lebbar machen.
Wenn ich das höre dann denke ich: die Kirche ist bei dieser Arbeit sehr nah an ihren Wurzeln. Auch Jesus hat sich denen zugewandt, die um Hilfe gebeten haben. Er hatte ein offenes Ohr und hat dem Leben vieler Hilfesuchender eine heilsame Wendung gegeben. Olaf Jacobsen-Vollmer bringt es auf den Punkt:
In den seelsorgerischen Bereichen, in denen Kirche Menschen in Not und Krisensituationen beisteht. Das sind Bereiche, in denen Kirche Menschen Halt gibt.
Olaf Jacobsen-Vollmer ist selbst Familienvater. Er weiß: es gibt Situationen bei seiner Arbeit, die kommen ihm sehr nah. Damit er da als Seelsorger Halt geben kann besinnt er sich immer wieder auf Gesprächs-Regeln:
Ich bin ich und du bist du. Und du hast in deinen Bezügen vielleicht auch gerade ganz andere Herausforderungen. Und es ist gut und wichtig, das zu verstehen und darüber zu schauen und sich da rein zu fühlen. Aber sich eben nicht reinziehen zu lassen und dann quasi auf dem Stuhl des anderen zu sitzen, das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Das würde mich auch selbst hilflos machen. Wenn ich nämlich dann in diesem Problem sitze und es vielleicht auch noch für die andere Person lösen möchte. Das wird nicht funktionieren. Ich brauche selbst eine stabile und feste Basis, um der anderen Person ein Halt sein zu können.
Eine wertschätzende Distanz ist wichtig, so verstehe ich das. Und ich glaube, wenn Menschen so miteinander umgehen, dann gibt es seltener Grenzüberschreitungen. Dann können sich Hilfesuchende sicher fühlen. Und die Helfenden sind auch geschützt. Zusätzlich gibt es für Olaf Jacobsen-Vollmer aber auch noch einen ganz persönlichen Anker, der ihm hilft, denen zu helfen, die sich an die Evangelisch-Psychologische Beratungsstelle wenden.
Also, ich bin ein sehr kritischer Gläubiger und Angenommensein ist für mich ein ganz wesentlicher Punkt meines persönlichen Glaubens, dass ich als Mensch angenommen bin, wie ich bin. Und das gibt mir einen ganz tiefen Trost. Und das gibt mir auch Halt und Kraft für meine Arbeit, dass ich das, was ich selbst für mich glaube, dass ich das in meiner Arbeit einbringen kann.
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