SWR Kultur Lied zum Sonntag

13OKT2024
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„Gott! Höre mein Gebet! Entzieh dich meinem Flehen nicht! Angstvoll schlägt das Herz in mir!“

Worte aus einem uralten Gebet. Als 55. Psalm steht es in der Bibel, hier übersetzt vom großen jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn. Bei seinem Enkel, dem Komponisten Felix Mendelssohn, klang das vor 180 Jahren so:

Musik:
Ich irre ohne Pfad in dunkler Nacht!
Hör mein Bitten, Herr, neige dich zu mir,
auf deines Kindes Stimme habe Acht!

Als Felix Mendelssohn sieben Jahre alt war, wurde er evangelisch getauft. Er wurde ein überzeugter Christ. Aber das schützte ihn zeitlebens nicht vor Antisemitismus. Vor dem Zehnjährigen spuckte ein Mitglied der königlichen Familie auf der Straße aus und beleidigte ihn antisemitisch. Richard Wagner, der von Mendelssohn gefördert worden war, fiel ihm in den Rücken mit einer anonymen Hetzschrift über das „Judentum in der Musik“. Wagners abfällige Urteile über Mendelssohns Musik wirkten lange nach, auch noch lange nach dem Dritten Reich.

Musik:
Die Feinde, sie droh'n, sie stellen uns nach
und halten die Frommen in Knechtschaft und Schmach.

Sie stellen uns nach: Das hat Felix Mendelssohn am eigenen Leib erfahren. Und nach ihm Millionen jüdische Menschen, die vertrieben und ermordet wurden. Bis heute ist dieser Hass eine reale Bedrohung. Wie sehr, das wurde vor einem Jahr bei dem Pogrom der Hamas deutlich. Es ist beschämend und furchtbar, dass Juden und Jüdinnen auch in Deutschland wieder in Angst leben. Dem Land von Felix und Moses Mendelssohn.

So spotten die Verfolger: Wo ist jetzt euer Gott?
Und die Verfolgten schreien zum Himmel: Gott, hör unser Flehn! Kämpfe für uns!

Musik:
Mich fasst des Todes Furcht bei ihrem Dräu'n!
Sie sind unzählige, ich bin allein.
Mit meiner Kraft kann ich nicht widerstehn.
Herr, kämpfe du für mich, Gott, hör mein Flehn!

Das Gebet des Bedrängten geht in einen sehnsüchtigen Wunsch über: Hätte ich doch Flügel und könnte fliehen! Fände Ruhe an einem schattigen Ort! Ein sicherer Ort. Wo ich auf Gottes Nähe vertrauen kann. Möge das Wirklichkeit werden! Für alle, die jetzt wieder ausgegrenzt werden. Für die Menschen, die seit einem Jahr in Tunneln oder anderswo gefangen gehalten werden. Bring them home!

Ich denke jetzt an den Juden Jesus, der ebenso verzweifelt zu Gott gebetet hat. Auch er wurde verhöhnt: Wo ist jetzt dein Gott? Jesus wusste wie der Psalmbeter: Gott ist da. Ich bete und finde Ruhe in Gottes Nähe. Auch wenn ich nicht fliehen kann. Ich bin bei Gott geborgen.

Musik:
… fände Ruhe am schattigen Ort.

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Musik:
"Hör mein Bitten“ (Felix Mendelssohn)
Komponist
M: Mendelssohn Bartholdy, Felix
T: Bartholomew, William (nach Ps 55,2-8)
Musik: M0013465(AMS); Hör mein Bitten Hymnus für Sopran, gemischten Chor und Orgel; Chormusik; 01-007; Bojack-Weber, Regina; Collegium Iuvenum Stuttgart; Keck, Friedemann

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