SWR1 Begegnungen

„Also Vorname ist wie Nachname. Deswegen wahrscheinlich wohne ich auch in Baden Baden.“
Khalil Khalil ist 35 Jahre alt. Ich habe ihn während seiner Ausbildung zum Mediengestalter kennengelernt. Seitdem begegnen wir uns immer wieder bei der Arbeit. Und jedes Mal, wenn ich ihn treffe, muss ich schmunzeln, wie redegewandt er sich ausdrücken kann und mit welchem Humor.
Seine Muttersprachen sind nämlich Kurdisch und Arabisch. Als er nach Deutschland gekommen ist, hat er in 6 Monaten Deutsch gelernt und weil es ihm liegt, hat er auch „Schwäbisch schwätza“ und „Badisch babble“ angefangen.
„A Muggaseggle – sagt man also. I hab koi Zeit [Schwäbisch gesprochen]. Mir warn am Wochenende einkaufen. Dann sind wir spazieren gegangen [Badisch gesprochen]. Mir gebet nix – sind drei Wörter, aber sagen so viel aus. [Schwäbisch gesprochen].“
Khalil hat sich von Anfang an in Deutschland in unsere Sprache reingefuchst. Er dreht sogar Videos fürs Internet mit dem Titel „Schwäbisch oder Badisch für Anfänger“. Aber Sprache ist für ihn nicht alles, was es zum Ankommen braucht. Es gibt noch weitere Dinge, die ihm wichtig sind: die Menschen und die Kultur kennenlernen und
„dass man höflich und offen aufgeschlossen sein für Neues quasi, dass wenn du etwas Neues hast, nicht so dagegen, sondern einfach offen und aufgeschlossen sein.“
Ich merke, Khalil ist wichtig, dass sich Menschen gegenseitig verstehen. Er hält Vorträge zu Sprache und Dialekten, aber auch zu Kulturschocks, Integration und Demokratie.
Und er hilft auch als Dolmetscher in Flüchtlingsunterkünften aus, versucht zu vermitteln, wo seine Sprachkenntnisse hilfreich sind. 2019 wird er für sein Engagement sogar mit der Heimatmedaille des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet. Er weiß, wie schwer man es hat, wenn man neuanfängt.
„Und dann kommt einer aus irgendeiner Ecke, der begeht eine Straftat. Und dann werden all diese Menschen über einen Kamm geschert. Das ärgert mich und demotiviert auch bisweilen, gell? Also wenn du merkst, okay, egal was du machst, du bleibst immer der Typ, der einfach so in diese Schublade gesteckt wird. Du versuchst wirklich anzukommen, arbeiten. Die andere sollen dich auch nicht in diese Schublade stecken.“
Khalil und ich sind uns einig: Menschen dürfen anderen Menschen keine Gewalt antun. Das ist inakzeptabel und das gilt auch für Geflüchtete. Vorfälle wie die Messerattacken in Solingen und Mannheim sind schlimme Verbrechen.
Gleichzeitig gilt: Ich darf deswegen nicht alle geflüchtete Menschen vorverurteilen. Menschen wie Khalil sind selbst vor Gewalt geflohen. Genau wie ich, wünschen sie sich ein sicheres Leben. Wer vor Krieg und Gewalt flieht hat ein Recht auf Asyl.
2015 ist Khalil vor dem Krieg geflohen und nach Deutschland gekommen:
„Wir standen vor dem Mittelmeer. Wir waren 45 Leute vor einem Schlauchboot, die nur für 30 Leute geeignet waren – Wenn ich sage wir, meine ich ein paar Freunde von mir und ich, wir waren zusammen auf der Uni – Und dann standen wir in diesem Schlauchboot. Entweder klappt das oder nicht und dann sind wir hingesessen. Weil wir ein Leben in Sicherheit wollten. Weil wir wollten einfach eine Zukunft finden, eine Gesellschaft finden, in der wir auch Teil davon sind und auch die mitprägen oder mitgestalten.“
Und das setzt Khalil auch um. Er ist Mitglied in einem kommunalen Gremium der Stadt Baden-Baden, dass Menschen mit internationalem Hintergrund vertritt. Dieses Gremium setzt sich zum Beispiel dafür ein, dass in Baden-Baden weder Kinder im Kindergarten oder der Schule, noch Erwachsene auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt werden, nur weil sie von woanders herstammen.
„Wenn du manchmal die Dankbarkeit oder die Freude oder Das Glück im Gesicht von den anderen verspürst, in dem du auch manchmal auch banale Sachen tust. Dann motiviert das einen, dich zu engagieren. Es gibt kein schöneres Gefühl einfach als zu erfahren, wie du einfach dazu beigetragen ha[s]t, [dass] dieser Mensch ein Stückchen glücklicher oder zufriedener oder verständnisvoller geworden ist dadurch.“
Als Christin kann ich da gut mitgehen – solidarisch und hilfsbereit sein. Wir diskutieren über Religionen und die Werte, die sie vertreten. Für mich sollte Religion die Menschen verbinden und nicht voneinander trennen. Findet auch Khalil:
„Es würde so viel Liebe, Toleranz, Verständnis, Respekt auf dieser Welt herrschen. Wenn wir uns auf das konzentrieren, was uns verbindet. Denn das ist viel mehr wert.“
Genau und ich muss es eben auch leben. Und das fängt ja in unserer Gesellschaft schon von klein auf an, wie wir mit Kindern umgehen.
„Wir sind in der Verantwortung, Kindern nicht nur diese Werte beizutragen, sondern versuchen so viel wie möglich diese Werte auch rüberzubringen [beizubringen]. Also wenn du vor ein Kind zum Beispiel ein Buch liest, das Kind wird ein Buch lesen, aber wenn du ein Kind von hinten vor einem Kind mit deinem Handy spielst, das Kind wird auch so machen. Das Kind musste auch mit dem Gefühl erziehen, dass sie [es] irgendwann, wenn sie [es] groß ist, auf dich stolz sein sollte. Und wenn du das schaffst, dann hast du wirklich, ich glaube alles Mögliche getan.“
Ich finde das ne wirkliche Aufgabe und wahrscheinlich gelingt das wohl niemandem perfekt. Aber es ist es auf jeden Fall wert zu versuchen. Eine Lebensaufgabe. Immer wieder neu.
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