Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

16OKT2024
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„Ja, es sind Zwillinge. Zweieiig. Junge und Mädchen sind immer zweieiig.“ Seit ich meine Zwillinge im Kinderwagen durch die Gegend schiebe, werde ich oft auf sie angesprochen. Meist folgt dann noch ein kurzer Smalltalk in Richtung „Ist bestimmt viel Arbeit“. „Ja“, sage ich dann, „das ist es“.

Ich liebe meine drei Kinder, aber ich gebe ganz ehrlich zu: So ein erstes Jahr mit Zwillingen ist hart. Es passiert vieles gleichzeitig, die Kinder können noch nicht sagen, was sie brauchen und man hat sowieso immer eine Hand zu wenig. Schlafmangel, anhaltendes Kindergeschrei und dünne Nervenstränge – keine gute Kombination. Deshalb waren wir sehr dankbar, dass Freunde und Familie uns mit Essen versorgt haben und mit den Kindern spazieren gegangen sind. Es waren kleine Hilfen und kurze Ruhe-Pausen für uns.

Ich habe lange geglaubt, dass keiner nachvollziehen kann, was wir als Familie, als Eltern, was ich als Zwillings-Mutter durchmache und erlebe. Aber das stimmt gar nicht!

Ich bin irgendwann auf den Trichter gekommen nach anderen Zwillingseltern in meiner Nähe zu suchen. Ich bin schließlich nicht die erste, die Zwillinge hat.

Und tatsächlich: Hat man einmal Zwillingseltern gefunden, finden sich mehr und mehr und man trifft auf Gleich-Gefühlte. Zwillingseltern wissen einfach Bescheid. Sie wissen genau, was andere durchmachen und geben gerne Tipps und Tricks weiter. Alles, was für den Alltag nützlich ist und was zum Überleben hilft. 

Im Austausch fällt dann oft der Satz „Ich fühle dich!“. Und dieser Satz ist für mich in den letzten Monaten echtes Seelen-Gold gewesen. Gesagt zu bekommen, ich nehme dich wahr, du musst mir nicht viel erzählen, ich weiß genau, was du durchmachst. Das hat sich angefühlt, als ob mich jemand auffängt und mir hilft meine Situation auszuhalten und mich dadurch stärkt.

Das, was ich durchmache, kann also sehr wohl jemand nachvollziehen. Und das gilt nicht nur für mich. Es gibt so viele schwierige und herausfordernde Lebenssituationen – ich glaube, es gibt immer jemanden, der das so oder ähnlich schon erlebt hat; und das tut gut zu wissen.

Vielleicht fühlt so auch Gott mit uns, weil er Mensch in Jesus geworden ist und dadurch um die Schwere weiß, die ich manchmal durchmachen muss. Er weiß, was Menschen fühlen können, weil er es als Mensch selbst erlebt hat. Und auch ihm muss ich eigentlich nicht viel erzählen, er nimmt mich wahr. Er fühlt mich! Und das trägt mich.

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