SWR3 Gedanken
Adieu sagen zu müssen ist nie besonders schön. Von Ausnahmen mal abgesehen. Schlimmer noch: Abschiede können verdammt weh tun. Nicht nur, wenn ein geliebter Mensch gestorben ist. Da sind zum Beispiel die Kinder groß geworden und verlassen plötzlich das Elternhaus. Hunderte Kilometer weit weg. Da endet eine Freundschaft, die Jahrzehnte gehalten hat. Da wird einem Menschen nach schwerer Krankheit klar, dass er nie mehr gesund werden wird. Alles Abschiede, die oft noch lange schmerzen.
Abschiednehmen und Loslassen. Manchmal denke ich: Vielleicht ist das ja das große Thema der zweiten Lebenshälfte. In der ersten rackere mich ab. Baue mir mein Leben auf. Schaffe Dinge an. Versuche zu sichern, was ich erreicht habe. Aber irgendwann wird immer klarer, dass ich nichts davon mitnehmen kann. Dass es bald immer öfter darum gehen wird, wieder loslassen zu können. Besitztümer, die ich angehäuft habe. Lebensträume, die sich nicht erfüllt haben. Und auch Menschen. Immer wieder Menschen. Mit innerer Gelassenheit wieder loslassen können. Gar nicht einfach. Aber das zu lernen, nach und nach, darum geht’s wohl in der zweiten Lebenshälfte. Und deshalb fängt die auch nicht pauschal bei 35, 40 oder 45 an. Sondern wenn mir tief drinnen bewusst geworden ist, dass alles auf der Erde endlich ist. Ich auch.
Deprimierend muss das übrigens ganz und gar nicht sein. Im Gegenteil. Wer loslassen kann, wandert bekanntlich mit leichterem Gepäck. Und das macht letztlich unglaublich frei.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40814