Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

30SEP2024
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„Widersagen“ ist ein altertümlich klingendes Wort. Es bedeutet gegen etwas zu sein. „Nein“ zu sagen und das möglichst laut und öffentlich. „Ich widersage.“ In der katholischen Liturgie hat dieser Satz einen sehr prominenten Platz: Im feierlichen Gottesdienst in der Osternacht. Der Priester fragt hier die Gläubigen: „Widersagt ihr dem Bösen?“  Und die Gläubigen antworten mit: „Ich widersage!“  Natürlich kommen nach den Fragen, was man verneint, auch die Fragen, zu was man „Ja“ sagt. Also: „Glaubt ihr an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde? Glaubt ihr an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, (…) Auch nach dem Glauben an den Heiligen Geist und der Kirche wird an dieser Stelle gefragt. Und immer antworten die Gläubigen: „Ich glaube.“

Lange Zeit hat mich diese Reihenfolge geärgert. Zuerst das Negative „Ich widersage“ und danach erst das Positive „Ich glaube.“ Heute finde ich das gut. Denn es macht mir klar, dass ein Christ nicht nur daran zu erkennen ist, woran er glaubt, wozu er ja sagt, sondern auch, wogegen er ist, wo er Widerrede erhebt, wo er widersagt. Denn mit einem ja zum Gott Jesu Christi ist immer auch ein nein verbunden. Wer ja sagt zu einem Gott, der alle Menschen liebt, muss nein sagen zu jeder Form von Rassismus. Wer ja sagt zu einem Gott, der die Welt erschaffen hat, muss nein sagen zu allem, was die gute Schöpfung Gottes zerstört. Wer ja sagt zu einem Gott, der auffordert, die Fremden, die unter uns wohnen, nicht auszubeuten. Der muss nein sagen gegen jegliche Form der Hetze gegen Fremde. Als Christ bin ich gefordert, nicht zu allem ja und Amen zu sagen, sondern auch an den richtigen Stellen zu widersprechen. Nicht nur rituell in der Osternacht, sondern auch an der Wahlurne und am Stammtisch.

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