SWR Kultur Wort zum Tag
Ich will keine Werbung für Alkohol machen. Aber ich will Ihnen von meinem Kollegen Georg erzählen. Der ist nämlich unter die Brauer gegangen. Und wie er das macht, das hat auch was Spirituelles, und das finde ich interessant.
„Knifte“. So heißt eines von Georgs Bieren. „Knifte“ ist westfälisch und heißt: Butterbrot. Und Brot gehört zu einer seiner Biersorten.
Seit 2018 braut Georg sein Bier selbst. Er hat in einem Buch gelesen, dass man das ganz gut selbst machen kann. Das hat ihn so fasziniert, dass er sich das Equipment besorgt hat und los ging´s. Das klingt einfacher, als es ist. Er muss schon viel wissen, beachten und vor allem lernen. Jeder Brauvorgang ist anders und speziell.
Georg braut alle paar Wochen. Am Freitagabend wird der Sud sechs Stunden gekocht. Dann kommt die Hefe dazu und gärt eine Woche lang, bevor Georg dann das Bier in Flaschen abfüllt. Anschließend muss es fünf bis sechs Wochen in der Flasche reifen, bis es endlich getrunken werden kann.
Georg liebt das Brauen. Die einzelnen Schritte, in Ruhe alles richten und dann der erste Schluck: wie schmeckt´s? Ist er zufrieden?
Das Ganze hat für ihn auch was mit Achtsamkeit zu tun. Zwischen den einzelnen Schritten liegt viel Zeit, und das muss er aushalten. Gut Ding will eben Weile haben. Und er muss bei jedem Schritt achtsam sein. Rezeptur, Material, alles muss stimmen.
Georg etikettiert sogar seine Flaschen alle selbst von Hand - und zwar nicht mit herkömmlichem Kleber, sondern mit Milch. Das hält auch und ist natürlich. Oder das Brot für sein „Knifte-Bier“. Das backt er aus der Würze, die beim Brauen verwendet wird.
Achtsamkeit ist ein richtiger Trend. Und ehrlicherweise geht mir das manchmal auf die Nerven, wenn ich alles und jeden Schritt in meinem Leben achtsam tun soll. Das klappt im Alltag einfach nicht.
Aber Georgs Braukunst hat mir mal wieder die richtig guten Seiten gezeigt. Denn der Trick bei der Achtsamkeit ist ja: Es kommt nicht aufs Was an, sondern aufs Wie.
Yoga geht vermutlich auch unachtsam. Und ganz klassisch: beten auch. Es passiert mir schon, dass ich bete und überhaupt nicht bei der Sache bin. Anschließend stelle ich fest, dass es mir nichts gebracht hat. Ich war nicht mit Gott verbunden und mit mir auch nicht. Nicht mal richtig zur Ruhe gekommen bin ich. Beten ist für mich ganz anders, wenn ich aufmerksam dabei bin. Dann habe ich hinterher das Gefühl, es hat sich was in mir verändert. Georgs Leidenschaft für´s Bierbrauen zeigt mir, dass das Leben schmackhafter wird, wenn ich versuche, immer sorgfältig einen Schritt nach dem anderen zu tun.