SWR Kultur Wort zum Tag
Ich komme ziemlich knapp am Bahnhof an. Gleich fährt der Zug ab, da sehe ich eine knallige Aufschrift auf dem Pullover vor mir. Eine junge Frau trägt einen grauen Kapuzenpulli und in knallrot steht da LIEBE drauf. Und es geht noch weiter: „An die Person hinter mir: schön, dass es dich gibt. Ich hoffe, Du hast keinen miesen Tag. Liebe Dich selbst ein bisschen mehr. Deine Johanna.“
Ich finde den Pulli bzw. den Aufdruck so cool, dass ich sie anspreche und frage, ob ich ein Foto machen kann. „Na klar“, sagt sie und erzählt, dass sie auch selbst diese Johanna ist. „Witzig, ich heiße auch Johanna“, sage ich noch und mache das Foto. Aber dann muss ich wirklich los, mein Zug fährt ab.
Vermutlich würde Jesus diesen Pulli auch tragen, denn mehr christliche Botschaft geht nicht. Obwohl Johannas Pullover Gott mit keinem Wort erwähnt, drückt er doch in vier Sätzen aus, worum es geht. Um Liebe. Und zwar in zwei Richtungen.
Die Johanna am Bahnhof fordert mich auf, mich selbst zu lieben, den Tag zu genießen, so gut es geht und sagt mir, dass es eine gute Sache ist, dass ich da bin. Ich soll mich selbst lieben und nehmen, wie ich bin.
Und die andere Richtung sind die anderen. Johanna spricht das ja mit ihrer Kleidung anderen Menschen zu. Ich hab mich jedenfalls voll angesprochen gefühlt von ihrer Botschaft.
Ihr Pullover am Bahnhof ist für mich eine tolle Übersetzung des biblischen Klassikers: „Du sollst deinen Nächsten, deine Nächste lieben, wie dich selbst.“ (Lk 10,27) Das Gebot der Selbst- und Nächstenliebe steht in der Bibel in einer Linie mit der Liebe zu Gott. Ich verstehe das so: Wenn Du mit Gott verbunden bist, bist Du es auch mit jedem Menschen um dich herum und mit Dir selbst. Es ist nicht immer leicht, Gott, andere und mich selbst zu lieben, aber du kannst es ja versuchen und immer mehr dahinkommen. Jedenfalls bist du gut so, wie Du bist, und die anderen sind es auch.
Johanna und ihr Pullover mit Botschaft haben mir den Tag versüßt, und ich denke immer wieder mal an dieses besondere Kleidungsstück. Deshalb erzähle ich Ihnen das auch. Weil ich mich freue, dass Johanna so eine mutige Botschafterin ist.
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