SWR Kultur Wort zum Tag
Wenn Sie sich genau zehn Tuwörter aussuchen könnten, um Ihr bisheriges Leben zu beschreiben, welche wären das? Probieren Sie es doch mal aus; ich fand es ein sehr anregendes Experiment. Und es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich mit meiner kleinen Liste zufrieden war.
Darauf gebracht hat mich der Berliner Hanser-Verlag. Der hat nämlich gerade eine neue Essayreihe aufgelegt: „Zehn Bücher über die zehn wichtigsten Themen des Lebens.“ Eröffnet wurde die Reihe von Elke Heidenreich mit dem Thema „Altern“. Ist gleich ein Bestseller geworden. Und obwohl ich mir über das Älterwerden gerade auch sehr viele Gedanken mache, taucht das Verb „Altern“ in meiner Zehnwörterliste nicht auf. Genauso wenig wie das Verb schlafen, obwohl ich doch wahrscheinlich mindestens die Hälfte meines Lebens damit zubringe. Schlafen ist der Titel von Band zwei. Außerdem schon erschienen sind zwei Bücher über Streiten und Lieben. Arbeiten, wohnen, essen, spielen, sprechen und reisen sollen noch kommen. Und was, frage ich mich, ist mit glauben und leiden? Mit singen und sterben? Klar, jeder Mensch hat seine eigenen Themen.
Das ganze Projekt erinnert mich auch an den biblischen Text „Alles hat seine Zeit“. Der hat zwar viel mehr als zehn Tuwörter im Programm, macht aber im Prinzip dasselbe: Im großen Stil über das Leben nachdenken. Das ordnet er in Gegensatzpaaren an: Pflanzen und ausreißen, lachen und weinen, tanzen und klagen, Steine sammeln und Steine wegwerfen. Suchen und verlieren. Was mich wundert: Ob Gott in einer solchen Lebenswortliste vorkommt, ganz explizit oder eher zwischen den Zeilen, das kann auch der biblische Autor nicht mit Sicherheit sagen. Denn Gott kann eben nicht in ein Tuwort übersetzt werden. Keine Tätigkeit kann ihn fassen. Der biblische Prediger meint: „Gott hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in unser Herz gelegt. Nur dass der Mensch nicht ergründen kann, was Gott tut, weder den Anfang noch das Ende.“ Wenn es Gott gibt, bleibt er ein Geheimnis. Aber eins, das mit Macht zum Leben verführt. Zum Leben mit all seinen Verben.
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