SWR Kultur Wort zum Tag

01OKT2024
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Nusantara heißt die neue Stadt. Klingt wie aus einem Märchen, soll aber tatsächlich einmal die neue Hauptstadt von Indonesien werden. Im August ist der Grundstein gelegt worden, in zwanzig Jahren sollen dort zwei Millionen Menschen leben. Denn Jakarta, die bisherige Hauptstadt des Staates mit seinen 17 000 Inseln versinkt schon jetzt im Chaos, in Müll und in Abgasen. Und irgendwann im Meer. Weil der Meeresspiegel immer weiter steigt.

Was für eine Mammut-Aufgabe! Eine ganze Stadt komplett neu am Reißbrett zu entwerfen. Aber auch, was für eine riesengroße Chance: Da kann eine Stadt des 21. Jahrhunderts entstehen, ohne all den Ballast und die Fehler, die historisch gewachsene Städte eben mit sich herumschleppen. Und tatsächlich soll die neue Hauptstadt zu großen Teilen aus Grünflächen bestehen, ein nachhaltiges Energiekonzept verwirklichen und nur Elektroverkehr auf ihren Straßen haben. Eine perfekte Stadt? Ich hätte wirklich große Lust, auch anderswo an solchen Projekten mitzudenken. Dass es auch Probleme mit sich bringt, die dafür notwendigen Flächen zu erschließen, ist mir völlig klar. Aber ich will auch mal in Möglichkeiten denken. Und habe dafür ein anderes Städtebauprojekt vor Augen:  

Auf den letzten Seiten der Bibel wird das himmlische Jerusalem beschrieben. Diese Stadt der Zukunft hat riesige Ausmaße, die perfekte Symmetrie, Straßen aus Gold, edelsteinbesetzte Tore, zwölf an der Zahl, sie ist nach allen Himmelsrichtungen hin offen.

Bemerkenswert daran sind aber nicht diese märchenhaften Bilder. Bemerkenswert finde ich, dass die Zukunft im biblischen Konzept überhaupt urban gedacht wird. Nicht als Rückkehr in einen immergrünen Paradiesgarten, kein Zurück zur Natur, sondern als Entwurf einer perfekten Stadt. Und auch wenn das ein himmlisches Bild ist, lese ich darin eine Anerkennung der menschlichen Zivilisationsgeschichte. Schon heute lebt ja mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten, in Deutschland sind es fast 80%. Mir macht das Hoffnung. Hoffnung, dass es gelingen kann, lebenswerte Städte zu bauen. Einen Versuch, finde ich, ist es allemal wert.

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