SWR4 Abendgedanken
Ich sitze in der Abendsonne auf der Bank auf unserer Terrasse direkt neben der Wiese und esse ein Croissant. Plötzlich fällt mir eine kleine Blume im Gras auf. Kleine orange Blätter, in der Mitte ein kleiner schwarzer Blütenkern.
Lange betrachte ich das Blümchen auf der Wiese, ohne an irgendetwas Besonderes zu denken. Und bin auf einmal auf unerklärliche Art und Weise mit ihr verbunden. Wohlig warm. Ich empfinde tiefe Freude. Ich fühle mich mit der Blume verbunden, ich spüre ihr Dasein im warmen Wind, gut gehalten von der feuchten Erde.
Und die Blume erzählt mir still, wie sie ihren langen Weg gegangen ist, durch die Dunkelheit der Erde hindurch ans Licht. Wie sie sich entfaltet hat, wie sie lautlos jubelnd ihre Blütenblätter geboren und stolz in die Sonne gehalten hat. Wie sie vielleicht glücklich ist, betrachtet zu werden und nicht abgerissen. Damit sie morgen wieder einen neuen Tag erleben kann und wieder ihre Blütenblätter in der Sonne öffnen kann.
Und vielleicht freut sie sich darauf, sich bald wieder in sich selbst zurückzuziehen. Wieder eins zu werden mit der Urquelle, aus der sie gekommen ist.
Es ist ein schönes Gefühl, ein großes und uraltes Gefühl, das da in mir wächst. Ein Gefühl der tiefen Verbundenheit mit den herrlichen Blumen auf der Wiese, mit der Natur, mit allem, was ist.
Und ich spüre: Da ist eine Urliebe des Lebens. Etwas, das alles zusammenhält und das Leben bejaht. Ich spüre, es liegt an mir, wie ich mit der Natur umgehe, ob ich die kleinen Blümchen entdecke und mich von ihnen in Bann ziehen lasse. Oder ob es mir egal ist, ob die Natur erhalten und intakt bleibt.
Ich bin mir sicher, diese Liebe in Kleinigkeiten zu entdecken, ist wie durch ein Schlüsselloch schauen. Und einen kleinen Ausschnitt zu sehen, und zu spüren, da ist noch mehr.
Ich bin mir sicher: Ich habe einen kurzen Blick erhascht auf den, von dem ich glaube, dass er alles Kleine und Große in Liebe erschaffen hat.
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