Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
So ein Vogelnest ist schon ein besonderes Gebilde. Gerade habe ich eins vom Vordach unseres Schuppens geholt. Im Frühjahr hat ein Amselpärchen darin gebrütet. In der Mulde in der Mitte hängen noch ein paar Flaumfedern. Die Jungen aber sind schon längst flügge geworden; das Nest steht verwaist.
Trotzdem erfüllt mich sein Anblick im herbstlichen Garten mit einem Gefühl von Geborgenheit. Nestwärme; ein schönes Wort! Womit jeder Vogel ins Leben startet, das müssen viele Menschen jedoch schmerzlich vermissen. 117 Millionen Flüchtlinge hat das UN-Flüchtlingskommissariat für 2023 weltweit gezählt. Und Jesus spricht jedem einzelnen davon wohl aus dem Herzen, wenn er sagt: „Die Füchse haben ihren Bau und die Vögel haben ihr Nest, aber ich habe keinen Ort, an dem ich mich ausruhen kann.“
Kein Ort zum Ausruhen, kein wärmendes Nest. Kein Zuhause. Dass sich daran für einzelne etwas ändert, dafür gibt es bei uns in Deutschland ein Programm, bei dem gar keine politischen Entscheidungen gefragt sind, sondern die Initiative einzelner. Es heißt: NesT. NesT steht als Abkürzung für Neustart im Team. Es braucht gerade mal vier Personen, die sich bereit erklären, eine geflüchtete Person oder eine Familie zu unterstützen. Diese Gruppe – sie kann natürlich auch größer sein – sucht eine geeignete Wohnung und finanziert die Netto-Kaltmiete für ein Jahr. Finanzielle Unterstützung durch Kommunen und Kirchen ist gewollt. Vor allem unterstützt diese Gruppe aber die Menschen beim Ankommen mit allem, was dazu gehört.
Wichtig: Die Verpflichtungen der Gruppe sind auf ein Jahr begrenzt. Dabei entsteht ein Nest; so erfahren Menschen endlich wieder Nestwärme. Im besten Fall beginnen sie auf diese Weise nach vielen traumatischen Erfahrungen wieder ihre Flügel zu spüren und können selbständig - flügge werden. Die viel gescholtene Politik hat dafür einen Rahmen geschaffen. Gefragt sind aber wir als Bürgerinnen und Bürger, als Christinnen und Christen, als Menschen, denen es nicht egal ist, wie wir in Deutschland miteinander leben. Staat und Zivilgesellschaft Hand in Hand. Es gibt so viel mehr, was wir tun können, als man immer so denkt.
Link zum Projekt: Neustart im Team - Neustart im Team
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40698