SWR4 Abendgedanken
Ich stehe ziemlich weit im Osten der Nordseeinsel Spiekeroog. Hier habe ich in diesem Jahr Sommerurlaub gemacht. Und ich stehe dort und gucke und gucke und sehe nur Weite. Das flache Land, Gräser im Sand, vom Wind sacht hin und her bewegt. Dahinter das Meer. Der Horizont. Und dann nur noch Himmel. Nichts, an dem das Auge hängen bleiben könnte. Weite.
Es ist ein wahnsinniges Gefühl. Hier könnte man sich selbst verlieren. Das ist fast etwas beängstigend. Aber mir geht gleichzeitig das Herz auf. Es ist so wunderschön hier. Und es tut so gut. Nichts. Nur Weite. Kein Anspruch, kein: Tu dies, tu das! Die Zeit scheint stehen zu bleiben. Es ist einfach gut. So wie es ist.
In diesem Moment habe ich an den Propheten Elia denken müssen. Elia hat auch einmal im Sand gestanden und auf Gott gewartet. Ein Sturm zieht an ihm vorbei, dann ein Erdbeben, dann ein Feuer. Aber, so mächtig und stark diese Erscheinungen auch sein mögen, Gott ist für Elia darin nicht zu finden. Doch dann hört er ein „stilles, sanftes Sausen“ (1.Könige 19, 12). Und da weiß er: Jetzt ist Gott da. Erst als Ruhe einkehrt, kann Elia Gottes Stimme wahrnehmen.
Ich kann das nachvollziehen. Dort, in der Weite dieser Insel, in der Ruhe, wo schlicht nichts war, da war auch für mich ein Moment, in dem ich mich Gott ganz nahe gefühlt habe. Es war einfach gut, so wie es war. Ein kleiner Moment aus der Ewigkeit, vielleicht. Und gleichzeitig denke ich: Wie oft ist Gott doch auch im Sturm. Wenn mein Leben wild wird, gefährlich vielleicht, wenn ich mich um das Richtige bemühen muss, mit aller Kraft versuche, Kurs zu halten. Dann ist Gott doch auch da. Dann ist er auch an meiner Seite. Oder wenn ich mich um jemanden sorge, für ihn oder sie da bin. Und auch wenn das an meinen Kräften zehrt und ich trotzdem weiß: Es ist richtig, dass ich mich hier abmühe, denn es geschieht aus Liebe. Auch dann ist Gott da. Gerade im Sturm, gerade in brenzligen Situationen, gerade da weiß ich Gott an meiner Seite.
Ich glaube, dass beide Erfahrungen möglich sind. Ich muss die Ruhe, die Weite nicht gegen den Sturm ausspielen. Der eine fühlt sich Gott womöglich beim Spaziergang im Wald nahe, die andere beim Engagement für den Tafelladen und der dritte beim Singen im Kirchenchor und hoffentlich auch während einer tiefen Lebenskrise. Menschen sind verschieden, Erfahrungen mit Gott sind vielfältig. Wertvoll sind sie immer. Und sie tun gut. Einfach so, wie sie sind.
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