SWR4 Abendgedanken
Seit den Sommerferien trage ich einen kleinen Seestern in meinem Portemonnaie mit mir herum. Aus Plastik, klar. Würde ja sonst stinken.
Ich habe diesen kleinen Seestern von der Inselpastorin auf der Nordseeinsel Spiekeroog geschenkt bekommen. In einem ganz besonderen Gottesdienst: Der hat in einem Zirkuszelt stattgefunden. Auf Spiekeroog gibt es für die Kinder, die dort Urlaub machen, einen Mitmach-Zirkus. Eine Woche lang können sie proben und üben und Spaß haben. Und am Ende steht ein Auftritt im Sonntagsgottesdienst im Zirkuszelt.
Die Pastorin hat eine Geschichte erzählt. Da ging es um ein kleines Mädchen. Es sieht, dass die Flut ganz viele Seesterne an den Strand gespült hat. Und die liegen nun hilflos auf dem Sand. Also fängt es an, die Seesterne ins Wasser zu tragen. Jeden Einzelnen. Aber: Oh je. Es sind so viele. Einige Erwachsene machen sich über sie lustig: Das bringt doch nix. Du kannst eh nicht alle retten. Aber das Mädchen macht weiter. Sie ist überzeugt: Natürlich hilft es. Jeder einzelne zählt. Für jeden geretteten Seestern macht es einen Unterschied. Und so sammelt und sammelt und sammelt sie.
Mitten in der Geschichte sind dann die kleinen Zirkusartisten und Zirkusartistinnen aufgetreten. Haben ihre Kunststücke gezeigt, mal mehr, mal weniger gekonnt. Und nebenbei haben sie auch Seesterne eingesammelt und sie zurück ins Meer gebracht. Einer lag auf dem hohen Trapez. Einer auf der Lauftrommel. Einer fand sich im Hut des Zauberers.
Beim Zuschauen musste ich schmunzeln. Es ist so schön, hier im Zirkus, dass jedes Kind zählt. Dass jedes Kind seinen Auftritt bekommt. Bejubelt wird, egal, ob es nun viel kann oder nicht. Das würde ich mir so sehr für unsere Gesellschaft, für unsere Welt als Ganze wünschen: Dass jeder zählt. Dass niemand am Strand zurückgelassen wird. Sondern dass sich jemand kümmert. Ein Traum, der nur im Zirkuszelt wahr werden kann?
Vielleicht. Ein Traum auf jeden Fall. Und zwar ein Traum, den auch schon Jesus geträumt hat (Mt 25,35ff). Er wünscht sich, ja er verpflichtet uns: Kümmert Euch um die Hungrigen. Nehmt die Fremden auf. Gebt den Armen das Nötigste, das sie zum Leben brauchen. Jeder einzelne zählt. Und für jeden, dem ihr helft, macht es einen Unterschied.
Daran soll mich der kleine Seestern in meinem Portemonnaie erinnern. Klar, ich weiß schon jetzt: Es wird mir mal besser, mal schlechter gelingen. Manchmal werde auch ich diejenige sein, die jemanden braucht, der mich zum frischen Wasser trägt. Aber manchmal werde ich es auch schaffen, mich zu bücken und zu helfen. Im Kleinen nur. Aber das ist nicht schlimm. Denn: Jeder einzelne zählt.
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