Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Ich musste zum Arzt. Nichts Schlimmes, nur ein kurzer Kontrolltermin. Und ich dachte, da bin ich schnell wieder draußen. Doch: Pustekuchen. Das Wartezimmer war rappelvoll. Und ich musste ewig warten. Da war Geduld gefragt. Nach einem tiefen Seufzer hab ich dann mal meinen Blick durch die Runde kreisen lassen: Da war die Mutter mit ihrem kleinen Kind, das quengelt. Der ältere Herr, der die Zeitung liest. Die junge Frau, die mit dem Fuß ununterbrochen wackelt. Die ältere Frau, die regelmäßig tief stöhnt und den Kopf schüttelt. Und einige, die sich die Zeit mit ihrem Handy vertreiben.
Das ist das, was ich sehe. Aber was geht sonst so in ihnen vor? Ich kann es nur ahnen. Aber ich stelle mir vor: Da sitzt die Angst neben der Gelassenheit. Die Erleichterung gegenüber der Unsicherheit. Die Wut hinter der Hoffnung. Die Aggression neben der Trauer.
Ja, denke ich, das Wartezimmer steckt voller Emotionen. Hier sitzt niemand aus Langeweile. Alle sind hier, weil sie etwas beunruhigt. Weil irgendetwas nicht in Ordnung ist.
Ich muss dabei an die Nachricht denken, die ich vor ein paar Tagen gelesen habe. Dass die Gewalt in den Arztpraxen ständig zunimmt. Dass Personal bedroht wird und Situationen eskalieren. Wie furchtbar! An diesem Morgen beobachte ich dagegen mit sehr viel Respekt, wie freundlich und verständnisvoll die Arzthelferinnen das Ganze managen und verhindern, dass die Gefühle hochkochen.
Mir ist jedenfalls mal wieder sehr deutlich geworden, dass mein Anliegen nur eines unter sehr vielen ist. Und vielleicht nicht mal das dringendste. Das lässt mich dann auch geduldig warten.
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