SWR Kultur Wort zum Tag

18SEP2024
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Jubel schwappt durch das Stade de France. Und das, obwohl die Siegerin schon seit über zwei Minuten im Ziel war. Ich war beim olympischen 10.000-Meter-Lauf der Frauen im Stadion. Die letzte Läuferin kam mit über einer Minute Rückstand auf die Vorletzte ins Ziel. Auf ihrer letzten Runde wurde sie vom frenetischen Applaus der 90.000 Zuschauer begleitet. Sie wurde ins Ziel getragen, sagt man da gerne. Im Ziel hat sie dann die Arme in die Luft gereckt und sich riesig gefreut. Die Anerkennung hat ihr gutgetan.

Mir kam in dem Moment ein Satz von Jesus in den Sinn: Viele, die jetzt zu den Ersten gehören, werden dann die Letzten sein. Und viele, die jetzt zu den Letzten gehören, werden dann die Ersten sein.

Natürlich hatte Jesus dabei keinen Sportwettkampf im Sinn. Ihm geht es um etwas anderes: Die Menschen, die es heute schwierig haben, die unterprivilegiert sind, die wenig Anerkennung bekommen, die stehen bei Gott ganz hoch im Kurs. Er interessiert und kümmert sich um sie ganz besonders. Bei Gott, im Reich Gottes, werden die Verhältnisse umgekehrt. Da bekommen diejenigen Anerkennung, die sonst oft übersehen werden, um die sich keiner kümmert.

Ich finde das eine schöne Vorstellung: Diejenigen, die es hier schwer haben, sind bei Gott ganz oben auf der Liste.

Nur – was nützt das denen, die heute gesellschaftlich auf der Verliererseite stehen? Interessant ist: Jesus belässt es nicht bei diesem einen Satz. Er erzählt direkt im Anschluss eine Geschichte von Arbeitern in einem Weinberg. Der Kern dieser Erzählung ist: Alle sollen genug zum Leben haben. Keiner soll privilegiert werden. Soziale Ungleichheit soll abgebaut werden. Alle bekommen die gleiche Anerkennung, unabhängig von dem, was sie leisten.

Diese Textfolge ist sicher kein Zufall. Dass „die Letzten“ bei Gott die Ersten sein werden, heißt, dass sich ihre Situation schon hier und jetzt verbessern soll. Es heißt, dass wir uns als Menschen diese Perspektive Gottes zu eigen machen und sie in die Tat umsetzen sollen.

Dieser olympische Moment, der Applaus für die Läuferin war schön. Auch im „echten“ Leben ist Applaus schön. Aber das reicht nicht aus. Engagiertes Eintreten für die sozial weniger Privilegierten – darauf käme es an.   

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