SWR1 Begegnungen
Manuela Pfann trifft die Generaloberin aus dem Kloster Reute, Schwester Maria Hanna.
… und mit Schwester Maria Hanna Löhlein. Ich treffe die Ordensfrau auf einer Baustelle - auf ihrer Baustelle – auf dem Klosterberg in Reute in Oberschwaben. Um uns herum sind Kräne und Baumaschinen, Schutt und eingerissene Wände. Nein, das Kloster wird nicht abgerissen, Gott sei Dank. Aber 150 Jahre nach dem Einzug der Franziskanerinnen passiert dort etwas Außergewöhnliches: Der Klosterberg wird umgebaut, er wird zu einem kleinen Quartier.
Also wenn alles klappt, wie ich mir das vorstelle, dann sind es ungefähr 120 Menschen, die um das Kloster herum leben, zwölf Parteien, die im Kloster im Klosternahen Wohnen leben und 40 Schwestern.
Nur noch 40 Schwestern von heute weit über 100. In gut zehn Jahren wird es wohl so weit sein. Doch obwohl der eigene Nachwuchs fehlt, wird die Klosterpforte eben nicht geschlossen, sie öffnet sich.
2014 im September hatten wir Generalkapitel, und da haben wir uns nochmal unsere Situation vor Augen gehalten mit allen Zahlen, mit unserem Alter, mit der Anzahl der Schwestern und da war ganz klar: Wir müssen, wenn wir in die Zukunft schauen, unseren Klosterberg umgestalten. Wir müssen auch Flächen anderweitig nutzen. Wir müssen andere Mitplayer hier reinkriegen und der Not der Zeit begegnen.
Für Maria Hanna und ihre Mitschwestern hieß das schon damals zu fragen: Was braucht die Stadt, was brauchen die Menschen von uns? Mit dem Umbau antwortet das Kloster auf zwei Themen unserer Zeit: die Vereinsamung und die Schwierigkeit, passenden und bezahlbaren Wohnraum zu finden. Deshalb wird im Quartier genossenschaftlich gebaut werden, und: Kleine Appartements entstehen mitten im Klostergebäude. Für dieses sogenannte klosternahe Wohnen gibt es jetzt schon deutlich mehr Bewerbungen als Plätze. Warum ist die Nachfrage so groß?
Weil die Sehnsucht nach Gemeinschaft groß ist. Es gibt da viele, die sagen, ich möchte sinnvoll leben oder ich habe einen Bruch in meiner Lebensgeschichte. Und von daher ist es dann auch gut, wenn man Perspektiven hat mit anderen zusammen, dass man dann neu ansetzt und sinnvoll miteinander etwas tut.
Ich finde das eine schöne Idee. Und gleichzeitig stelle ich mir das nicht einfach vor, mit den Schwestern zusammen zu leben, und nicht nur Gast zu sein für ein paar Tage. Was müssen Menschen mitbringen, die da einziehen wollen?
Die müssen auf jeden Fall Gemeinschaft leben wollen. Also wenn jemand hierherkommt, weil er so ein Bild von Kloster hat, da ist es still und da will keiner was von mir. Das geht nicht, da können wir keine Schweigemönche brauchen, sondern richtige Leute, die zupacken wollen.
Und mit anpacken kann man in Reute an vielen Stellen: Im großen Kräutergarten, oder man kann Dienste an der Pforte übernehmen, im Gottesdienst Orgel spielen oder Kurse im Bildungshaus anbieten.
Sr. Maria Hanna Löhlein ist die Generaloberin im Kloster Reute bei Bad Waldsee, also die Chefin. Über ihrem Schwestern-Schleier trägt sie regelmäßig einen Bauhelm, bei ihr laufen die Fäden für den großen Umbau des Klosters zusammen. Dabei schimmert immer auch das Erbe ihres Ordensgründers, des heiligen Franziskus, durch, die Verantwortung für die Schöpfung.
Wir haben keine Tapete oder irgendwelche Kleber, sondern werden jetzt mit Lehm glätten, unsere Wände auch entsprechend naturgemäß machen. Wir haben eine Planung von der Heizung, dass wir nicht mehr Gas und nicht mehr Öl verfeuern, sondern dann eben mit entsprechenden regenerativen Energien arbeiten. Also da ist ganz viel, was der Franziskus uns eigentlich auch als Stachel setzt.
Ich staune, wie fachkundig Sr. Maria Hanna von diesem Bau-Projekt spricht; für eine Ordensfrau ist das doch alles Neuland. Aber da täusche ich mich. Die Eltern zuhause waren im Baugewerbe tätig und sie hat vor ihrem Studium eine Banklehre gemacht.
Also es ist schon irgendwie kurios, aus einer Zieglereifamilie zu kommen, in einer Bausparkasse zu landen, dann ins Kloster zu gehen und dann so ein Projekt irgendwann zu tragen. Also das glaube ich schon, dass sich da auch was abrundet und dass es ein Stück weit auch Berufung ist. Aber ausgerechnet oder angestrebt habe ich das nie.
Wie passend, dass die Schwester von Maria Hanna Architektin ist. Es lag also nahe, sich auch mit ihr über die Pläne und Visionen für die Zukunft des Klosters auszutauschen. Sie hat die Schwester über den Klosterberg geführt und gefragt:
Was denkst du und wie soll man denn anfangen? Und dann hat sie ganz nüchtern gesagt: „Euer Kloster hat keine Mitte. Ihr habt hier einen schönen Klosterberg, aber man weiß nie, wann man wirklich da ist. Es gibt hier viele Mauern, viele Türen, aber es erschließt sich nichts von allein.“ Und das hat gesessen. Da habe ich gemerkt: Wie muss ich jetzt diesen Klosterberg anschauen, dass da eine Mitte entsteht, in der auch Menschen spüren können ja, da, um das geht es denen.
Die Architektur muss also zum Inhalt passen. Es braucht einen Ort, wo alle zuerst einmal ankommen und wo sie die Gastfreundschaft der Franziskanerinnen spüren. Ich glaube, das wird gelingen, die Pläne für diese neue Mitte habe ich schon gesehen: Ein heller Raum, mitten auf dem Gelände, mit großer Empfangstheke. Und von dort aus geht es weiter: ins Klostercafé, zum Gespräch, in den Klosterladen oder in einen Raum der Stille. Warum auch immer Menschen ins Kloster Reute kommen werden – für Schwester Maria Hanna bleibt eines wichtig:
Egal mit welcher Schuld oder mit welchem Mist oder mit welchem Schutthaufen an gescheiterten Träumen man gerade gelandet ist. Dass dieser Gott mich sieht in all dem drin und dass er will, dass ich lebe. Und wenn man das vermitteln kann, dann ist ganz viel Gutes geschehen und dann kann man auch aus Scherben was machen.
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