SWR1 Begegnungen
Die Kunsthistorikerin Dr. Katharina Henkel kuratiert derzeit eine Ausstellung bei den internationalen Tagen in Ingelheim. Frösche, Feuer, Finsternis, so heißt der Titel. Es geht um die 10 biblischen Plagen. Anfang des 18. Jahrhunderts hat der niederländische Künstler Jan Luyken diese Plagen illustriert: 10 großformatige Radierungen sind so entstanden. Durch einen befreundeten Künstler hat Katharina Henkel die Bilder in die Hände bekommen und sie war gleich fasziniert von den detailreichen Darstellungen. Auch, weil sie einen biografischen Bezug zum biblischen Text hat:
Ich bin ein Kunsthistoriker mit Leib und Seele, habe aber in den Nebenfächern klassische Archäologie studiert und hatte im Nebenfach die biblische Archäologie, ein kleiner Fachbereich der Theologie. Das heißt, ich habe nicht Theologie studiert, sondern tatsächlich die biblische Archäologie.
Und dabei hat sie sich besonders intensiv mit der Geschichte befasst, die vom Auszug des Volkes Israel aus Ägypten handelt. Da wird im 2. Buch der Bibel erzählt, wie Mose versucht, den Pharao davon zu überzeugen, die Israeliten, die er als Sklaven für sich arbeiten lässt, freizulassen. Als dieser sich weigert, schickt Gott eben jene 10 fürchterlichen Plagen über das Land. Darunter auch besagte Frösche und eine unheilvolle Finsternis. Jan Luyken erweckt die biblische Geschichte in seinen Bildern zum Leben. Auf jedem einzelnen der 10 Blätter gibt es unendlich viel zu entdecken.
Also ich glaube, Wimmelbilder faszinieren Menschen grundsätzlich. Nicht umsonst bekommen ja kleine Kinder auch Bücher geschenkt, um sich die Welt durch das Schauen selbst zu erarbeiten oder zu entdecken. Und so geht uns das natürlich auch. Wir schauen genau hin, haben das Gefühl, wir können es erfassen und dann tun sich aber neue Details auf und es braucht eine gewisse Zeit, glaube ich, bis man sich diese einzelnen Blätter sie sind Gott sei Dank relativ großformatig erschließen kann.
Also es spielen sich wirklich dramatische Szenen ab und ich denke, wenn man die Bibelpassage tatsächlich kennt, wenn man diese Kapitel vor Augen hat und liest und dann diese Bilder sieht, man hätte es glaube ich, selber nicht besser darstellen können. Also die Bilder, die im Kopf entstehen, die werden sehr schön durch Jan Luyken visualisiert.
Für die Ausstellung hat Katharina Henkel 10 zeitgenössische Künstler und Künstlerinnen gebeten, sich mit den Bildern von Jan Luyken auseinander zu setzen und sie neu zu interpretieren. Ich habe Katharina Henkel gefragt, warum man sich heute mit den biblischen Plagen beschäftigen sollte.
Ich denke, dass wir Menschen aus der Geschichte ja selten wirklich lernen, sich bestimmte geschichtliche, historische Abläufe, Szenarien, Dramen und ein Chaos sich immer wiederholt. Die Abstände sind unterschiedlich lang, aber dass es immer wieder zu Kriegen kommt, dass im in Menschen vielleicht auch das installiert ist, andere dominieren zu wollen, im Extremfall unterdrücken zu wollen. Und ich denke, gerade die Corona Plage hat sehr deutlich gezeigt, dass wir trotz aller medizinischen Mittel, besonders großen Katastrophen hinterherhinken. Also wir können sie nicht vorhersehen….
Und das finde ich das Faszinierende, aber natürlich auch gleichzeitig das Erschreckende, dass sich bestimmte Dinge nicht ändern oder Menschen mit bestimmten Themen konfrontiert werden, die Jahrhunderte, Jahrtausende alt sind.
Es gefällt mir, dass in der Ausstellung Künstler und Künstlerinnen die Aufgabe übernehmen, diese alten Themen neu zu deuten. Anders als Jan Luyken illustrieren sie nicht nur akribisch die biblische Vorlage, sondern interpretieren sie ganz neu für das 21. Jahrhundert. Katharina Henkel meint:
In der Kunstgeschichte wird immer behauptet, dass die Künstler die Seismographen der Gesellschaft sind, also dass sie dadurch, dass sie sensibler sein sollen, empfindsamer sein sollen, Probleme über schwierige Situationen früher wahrnehmen und dann auch darstellen, als es der Rest der Gesellschaft tut.
Mit ihren künstlerischen Mitteln haben die Beteiligten dargestellt, worin heute Plagen biblischen Ausmaßes bestehen könnten. Dabei sind ganz unterschiedliche Aspekte menschlichen Leids zum Ausdruck gekommen. Sehr persönliche, aber auch Themen, die die gesamte Menschheit angehen. Es fällt auf: wo die biblischen Texte noch Gott als den Verursacher der Plagen ausmachen, rücken die zeitgenössischen Werke den Menschen in den Mittelpunkt:
Also ein Künstler hat sich ja mit dem Klimawandel beschäftigt, der uns natürlich massiv jetzt trifft. Also wir wissen davon ja seit vielen Jahrzehnten, aber jetzt bekommen wir ja die Folgen des Klimawandels zu spüren. Und ich denke, da kann auch kaum noch jemand leugnen, dass es da einen Zusammenhang gibt. Und er hat sich explizit mit diesem Thema der klimatischen Veränderung und der Auswirkung auf die Natur befasst.
Wichtig ist Katharina Henkel dabei, dass die Ausstellung nicht mit erhobenem Zeigefinger daherkommt. Es geht nicht um Schuldzuweisungen. Und erst recht nicht darum, den Untergang heraufzubeschwören. Vielmehr geht es ihr darum, Verantwortung wahrzunehmen und zu ergreifen.
Ich würde mir wünschen, dass diese Ausstellung zum Nachdenken anregt, dass wir vieles in der Hand haben, dass wir vieles verändern können, von dem, was es an Plagen immer schon gab und auch derzeit gibt. Also, dass wirklich immer noch die Hoffnung besteht, dass wir unsere Welt zu einer besseren Welt machen.
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