Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

02SEP2024
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Schlag – Gegenschlag – diese primitive Strategie ist die sicherste Nummer, Kriege nicht zu beenden, sondern zu verlängern. Das beweisen in diesen Tagen einmal mehr die erbärmlichen Kriege im Gaza, in der Ukraine, im Sudan oder wo auch immer. Mehr noch: Mit „Schlag – Gegenschlag“ eskaliert die Gewalt von Mal zu Mal. Immer schneller und noch brutaler dreht sich dann die Spirale. Wird diese Kette nicht durchtrennt, ist eine nukleare „Ketten-Reaktion“ nicht mehr abzuwenden. Dann gnade uns Gott!

Unterbrechung ist das Gebot der Stunde. Unterbrechung ist nicht Unterwerfung, wie man ständig unterstellt. Sie bedeutet zunächst nichts anderes, als die Gewalt zu stoppen. Das meint Jesus, wenn er einem zu Unrecht Geohrfeigten auch noch empfiehlt, die andere Wange hinzuhalten, statt seinem Gegner verdientermaßen die Fresse zu polieren. Ich meine, diese Geste ist der schmerzhafte und vielleicht letzte Versuch, einen Konflikt gewaltfrei auszutragen.  

Vermutlich von der Hisbollah abgefeuert, schlug vor kurzem auf den Golanhöhen in der Ortschaft Majdal eine Rakete ein und tötete zwölf Kinder auf dem Fußballplatz. Ein abscheuliches Verbrechen, das Israel hart vergelten wollte. Da meldete sich die Dorfbevölkerung in einer Erklärung zu Wort: „Wir lehnen es ab, dass auch nur ein einziger Tropfen Blut unter dem Vorwand vergossen wird, unsere Kinder zu rächen.“ Die religiöse Gemeinschaft der Drusen, der diese Dorfgemeinschaft angehört, verbiete „jegliche Form des Tötens und der Rache“.1)

Fast gleichlautend fordert auch die Bibel: „Mein ist die Rache, spricht der Herr, ich will vergelten“ (Buch Deuteronomium 32,35). Und der Apostel Paulus setzt nach: „Rächt euch nicht selbst, lasst Raum für den Zorn Gottes“ (Römerbrief 12,19).

Aber: „Rache ist süß“, sagt der Volksmund. Wer kennt nicht dieses wohltuende, genüssliche Raunen in der eigenen Seele, wenn man beleidigt oder verletzt worden ist und auf Rache sinnt. Aber Achtung: Was als süße Versuchung daherkommt, kann schnell zur Sucht entarten, zur „Rachsucht“. Die zerfrisst uns selber, macht bitter und böse.

In der Politik aber sind Rachsucht und Vergeltung Brandbeschleuniger, keine Feuerlöscher.  

1) „Esslinger Zeitung“ 31. 07. 2024, S. 4 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40605
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