SWR Kultur Zum jüdischen Feiertag
Wir beginnen unsere Sendung mit einer chassidischen Bearbeitung des biblischen Verses aus dem Buch des Propheten Jeremia: Haben Jakir li Efrajim. Er bildet einen Teil unserer Neujahrsliturgie. Die Übersetzung lautet: „So spricht der Herr: Gedacht habe ich deiner Jugend Minne, (Israel) der Liebe deiner Brautschaft, wie du Mir nachgingst in die Wüste in unbesätes Land...Geweiht war Israel dem Herrn, der Erstling Seiner Ernte...“ (Jer. 2:2). Es singt die Effie-Netzer-Gruppe.
Musik „Chassidic and Sabbat Songs“; Interpret: Effie-Netzer-Gruppe, Komponist: Volksweise
Wenn wir uns versammeln, um Rosch Haschana, das jüdische Neujahrsfest, zu feiern, bietet sich uns eine wertvolle Gelegenheit, über das vergangene Jahr nachzudenken und unsere Vorsätze für das kommende Jahr zu fassen. Dies ist eine Zeit der Erneuerung, eine Zeit, in der wir unser Leben, unsere Beziehungen und unsere Verbindung mit dem G-ttlichen überprüfen.
Rosch Haschana ist viel mehr als nur ein neuer Anfang im Kalender. Es ist ein tiefgreifender, spiritueller Moment, der uns zur Selbstbeobachtung und zum Wandel aufruft. Das Blasen des Schofars, des Widderhorns, ist ein zentraler Bestandteil des Feiertages. Sein Klang ist ein Weckruf, der unsere Seelen aus der Selbstgefälligkeit aufrüttelt und uns an unsere Bestimmung erinnert.
Die Töne des Schofars sind ein Aufruf zum Handeln. Sie fordern uns auf, aus unserem spirituellen Schlummer aufzuwachen und uns selbst genau unter die Lupe zu nehmen. Leben wir nach unseren Werten? Behandeln wir andere mit Freundlichkeit und Respekt? Leisten wir einen positiven Beitrag in unserer Gemeinschaft? Diese Fragen müssen wir uns stellen, wenn wir an der Schwelle zu einem neuen Jahr stehen.
Der Klang des Schofars erinnert uns auch an die Bindung Isaaks, eine Geschichte des Glaubens und des Opfers. Er fordert uns auf, darüber nachzudenken, was wir bereit sind, für das Allgemeinwohl, für unsere Familien, für unsere Gemeinschaft und für unseren Glauben zu leisten.
Eines der zentralen Themen von Rosch Haschana ist Teschuwa, Reue. Teschuwa ist mehr als nur die Bitte um Vergebung; es geht darum, dass wir uns aufrichtig bemühen, unser Verhalten zu ändern. Es geht darum, sich von unseren negativen Verhaltensweisen abzuwenden und einen Weg der Rechtschaffenheit einzuschlagen.
Dieser Prozess der Teschuwa umfasst vier Schritte: unsere Fehler erkennen, echte Reue empfinden, Wiedergutmachung leisten und sich zur Veränderung verpflichten. Es ist kein einfacher Prozess, aber er ist für unser geistiges Wachstum unerlässlich. Wenn wir uns auf Teschuwa einlassen, reinigen wir unsere Seele und öffnen uns für die Möglichkeit einer besseren Zukunft.
Und nun erkling ein traditionelles Stück der synagogalen Festliturgie. Es singt Kantor Issachar Helman mit seinem Chor: Lk’el Orech Din. Auf Deutsch. Wir huldigen G-tt, der das Urteil über uns fällt. Der am Tage des Gerichts unsere Herzen prüft; der die geheimsten Gedanken kennt und doch redliches Urteil über uns fällt.
Musik „Sarfei Mala“; Interpret: Issacher Helman und Chor; Komponist: J.Rosenblatt
An Rosch Haschana heißt es, dass G-tt das Buch des Lebens öffnet und unser Schicksal für das kommende Jahr einträgt. Diese Metapher erinnert uns an die Macht unserer Handlungen und Entscheidungen. Wir können zwar nicht alles kontrollieren, was uns widerfährt, aber wir können kontrollieren, wie wir darauf reagieren und wie wir unser Leben gestalten wollen.
Mit Ehrlichkeit und Demut sollten wir über das vergangene Jahr nachdenken, unsere Unzulänglichkeiten anerkennen, aber auch unsere Erfolge feiern. Wir wollen die Verpflichtung eingehen, besser zu sein, besser zu handeln und unseren höchsten Idealen gerecht zu werden.
Rosch Haschana ist eine Zeit der Hoffnung und der Erneuerung. Sie erinnert uns daran, dass wir, egal was in der Vergangenheit geschehen ist, die Macht haben, unsere Zukunft zu gestalten. Wir haben die Möglichkeit, neu anzufangen, zerbrochene Beziehungen zu kitten und unsere Träume mit neuem Elan zu verfolgen.
Mögen wir dieses neue Jahr mit einem Gefühl der Zielstrebigkeit und Entschlossenheit beginnen. Mögen wir danach streben, mitfühlender, großzügiger und liebevoller zu sein und gemeinsam daran arbeiten, eine Gemeinschaft aufzubauen, die die Werte Gerechtigkeit, Frieden und Respekt widerspiegelt.
Wir empfinden Dankbarkeit für das Geschenk des Lebens und die Möglichkeit, neu zu beginnen. Lauschen wir dem Klang des Schofars und lassen uns von ihm inspirieren, unser Bestes zu geben. Möge dieses neue Jahr für uns alle ein Jahr des Friedens, der Gesundheit, des Glücks und der Erfüllung sein.
Zum Abschluss unserer Sendung erklingt ein Ausschnitt aus einem Pijjut, einer Gebetsdichtung des Mussaf-Vormittagsgebets: Ki Keschimcha. Die Übersetzung lautet: Denn, wie Dein Name, O, Herr, so ist Dein Ruhm: Schwer zu erzürnen, leicht zu besänftigen. Du willst den Tod des Schuldigen nicht, sondern, dass er von seinem Wandel ablasse und lebe. Bis zum Tage seines Todes wartest Du auf ihn. Wenn er umkehrt, nimmst Du ihn bei Dir sofort auf. In Wahrheit, Du bist ihr Schöpfer und kennst ihren Trieb, dass sie nur Fleisch sind und Blut. Was ist der Mensch? Aus dem Staube der Erde ist er entsprossen, und im Staube löset er sich auf….
Musik „The Best of Naftali Hershtik.“Interpret: Naftali Hershtik; Komponist: Naftali Hershtik
Schana Towa U'Metuka - Mögen wir alle ein gutes und süßes Jahr haben.
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