Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
„Glaubst du an Gott?“ habe ich mal einen Freund gefragt. Und der meinte: „Hmm, ich glaube – nicht.“ Eine treffende Antwort – und ganz elegant und nebenbei bringt sie alle Probleme und Fragen auf den Tisch, die der Glaube so mit sich bringt. „Ich glaube – nicht.“ Meinte mein Freund. Jedenfalls nicht an Gott. Aber an etwas schon. Oder doch an „nichts“? Und geht das überhaupt: An „nichts“ glauben?
Ich denke, „Gläubig sein“ ist keine Eigenschaft oder Vorliebe, die man hat oder eben auch nicht. Glaube ist eher so etwas wie das eigene Lebensgefühl. Wie die Grundmelodie, die mich durchs Leben begleitet. Und die Melodie des christlichen Glaubens fühlt sich für mich ungefähr so an:
Ich glaube, dass ich leben darf. Dass mir Gott die Erlaubnis dazu gibt. Fast so wie eine Erlaubnis, die Eltern ihren Kindern geben: Du darfst. Du bekommst von mir dieses Privileg. Also probiere etwas aus und sei unbekümmert: Ich stehe immer hinter dir. Alles in allem kein schlechtes Gefühl.
Das Leben kann sich auch ganz anders anfühlen und einen ganz anderen Ton anschlagen. Statt nach „ich darf“ klingt es eher nach „ich muss leben“. Oder nach „Ich will leben“ oder womöglich sogar: „Ich beschließe, zu leben“. Der Wunsch, unabhängig zu sein, klingt ganz klar durch: niemanden um Erlaubnis fragen zu müssen und das eigene Lebensglück selbst in der Hand zu haben. Ich kann das verstehen, aber damit schleicht sich auch ein gewisser Druck ein: Wenn ich alles selbst in der Hand habe und keine Erlaubnis brauche, dann muss ich auch alles selbst schaffen. Da ist es mir doch lieber, wenn ich’s im Leben schaffen „darf“ und nicht muss.
Bei unserem Gespräch damals hat mich mein Freund zurückgefragt: „Glaubst du denn an Gott?“ Ich habe gezögert und dann geantwortet: Hmm, ich glaube – manchmal.“ Mein Glaube ist eben keine feste Eigenschaft von mir, wie meine Haarfarbe. Zu glauben bedeutet für mich, zu vertrauen. Und mal vertraue ich mehr, mal weniger. Manchmal habe ich das Gefühl, alles allein schaffen zu müssen. Und ein anderes mal fühle ich mich wieder beschenkt. Als hätte ich von Gott eine ganz besondere Erlaubnis bekommen, ein wunderbares Privileg: Dann „darf“ ich leben. Etwas ausprobieren und auch mal etwas riskieren.
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