Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Was macht im Leben glücklich? Die Antwort in einem alten Gebet in der Bibel, in Psalm 73 lautet: „Gott nahe zu sein ist mein Glück.“ Klingt erst einmal sehr fromm. - Brav. - Ehrlich gesagt: Klingt langweilig. Nach allem, was mir an Klischee über den Glauben so einfällt: „Ich brauche nichts von dieser Welt… Alles Tand… Geld macht nicht glücklich, nur die reine und selbstlose Ergebenheit an Gott…“
Aber so ist das in Psalm 73 gar nicht gemeint. Das habe ich gemerkt, als ich einmal in Ruhe das ganze Gebet gelesen habe. Ich bin dem ganzen Gedankengang des Autors nachgegangen und verstehe jetzt sehr gut, wie er zu seiner Überzeugung kommt: „Gott nahe zu sein ist mein Glück.“
Der, der da betet, ist tatsächlich sehr fromm und versucht, alle Regeln und Gebote Gottes zu halten – und ist deshalb total frustriert. Denn ihm und all den anderen, die sich treu an Gottes Gebote halten – Nächstenliebe üben, für Gerechtigkeit sorgen, sich für Frieden einsetzen – denen ergeht es nicht besonders gut. Und sie dürfen zu allem Überfluss mit ansehen, wie die Leute, die sich darum überhaupt nicht scheren, in Saus und Braus leben: Die werden reich, ungestraft! Obwohl sie betrügen, mogeln und sonst was anstellen, um ans große Geld zu kommen. Der Psalmbeter steht wirklich in der Versuchung, den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen und auch lieber dem Glück nachzulaufen, das Gold, Silber und Luxus ihm versprechen.
Gerade noch rechtzeitig merkt er, wie gefährlich das ist. Denn Geld allein macht wirklich nicht glücklich. Es kann auch ganz schnell wieder weg sein – und wenn zu Unrecht erworbenes Geld alles gewesen ist, was man gehabt hat? Keine Liebe? Wenn nichts bleibt außer dem Hass der Menschen, die man einmal betrogen hat?
Gut, dass ich das verstanden habe, meint der Beter von Psalm 73. Und wenn ich mich wieder einmal blenden lasse, anfange, gierig zu werden und wieder einmal da stehe „wie der Ochs am Berg“, dann guter Gott, erinnere mich daran.
Ja, es ist fromm, wenn der Beter von Psalm 73 sagt: „Gott nahe zu sein ist mein Glück.“ Aber die Nähe zu Gott macht ihn frei. Frei von Neid. Von ungerechter Gier. Hilft ihm, nicht auf die schiefe Bahn zu geraten. Gott nahe zu sein macht frei und ist seine Heimat. Es ist sein Glück.
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