Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

27AUG2024
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In seiner Bergpredigt, die die Bibel überliefert, sagt Jesus an einer Stelle: „Selig sind die, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ Sich für ein friedliches Miteinander einsetzten, ein Gotteskind sein… Wunderschön… Bloß – wer ist schon immer friedlich?

Vor kurzem hat mir die Leiterin einer Telefonseelsorge erzählt, dass manche Anrufer sogar ziemlich aggressiv sind. Viele Menschen sind mit ihrem alltäglichen Frust allein, meinte sie, und den würden sie dann in sich hineinfressen. Und einen Ort, an dem man seine aufgestaute Aggression auch mal rauslassen kann, den gibt es in unserer Gesellschaft eigentlich gar nicht mehr.

Stimmt, habe ich bei dem Gespräch gedacht: Wenn es zum Beispiel in der Schule Streit gibt, dann regeln das Streitschlichter – möglichst friedlich natürlich. Bei Streit am Arbeitsplatz: professionelle Konfliktberatung. Schon im Kindergarten müssen die Kleinen lernen, dass sie ihre Aggression nicht einfach an anderen austoben dürfen. Aber wohin sonst damit?

Mir ist im Gespräch mit der Leiterin der Telefonseelsorge bewusst geworden, dass wir da ein echtes Problem haben. Aggression ist eine menschliche Eigenschaft. Die können wir uns nicht einfach so aberziehen oder ablegen. Sie braucht ein Ventil.

Jesus hat in der Bergpredigt gesagt: Selig sind die, die Frieden stiften. Ich denke deshalb, dass auch wir Kirchen die Aufgabe haben, für so ein Ventil zu sorgen. Weil Aggression nun mal da ist. Weil sie in unserer Gesellschaft gerade auf ungute Art und Weise durchbricht: Wenn Menschen beim Warten auf einen Arzttermin handgreiflich werden. Oder wenn Politiker angegriffen werden, wenn sie Wahlplakate aufhängen usw. Es muss doch ein Weg zu finden sein, wie sich Frust entladen kann, ohne dass andere zu Schaden kommen.

„Früher“ meinte die Frau von der Telefonseelsorge zu mir „da hat sich die Dorfjugend zweier Orte ab und zu auf freiem Feld getroffen, und dann gab’s mal eine ordentliche Prügelei.“ Auch nicht gerade die optimale Lösung, finde ich. Aber wenigstens haben bei so einer Aktion alle gewusst, worauf sie sich einlassen – das war nicht so feige wie heute die Überfälle auf Wahlhelfer, Polizei oder Rettungskräfte. Und wenn heute jemand allein mit seiner Wut und Enttäuschung zu Hause sitzt, dann ist vielleicht ein Anruf bei der Telefonseelsorge ein erster Schritt heraus aus dem Frust. Danke den Ehrenamtlichen, dass sie bereit sind, auch mal als Blitzableiter für den angestauten Frust herzuhalten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40590
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