SWR4 Abendgedanken
Susis Papa ist gestorben. Susi ist eine Kollegin und gute Freundin von mir und deswegen gehe ich natürlich zur Beerdigung ihres Papas.
Die Kirche ist voll. Das halbe Dorf ist zusammenkommen. Wahrscheinlich mehr als das halbe Dorf. Dazu Familie, Freunde, Kirchenchor, bis hin zu Kollegen und Freundinnen der Kinder. Susi hat mir erzählt, dass ihr Papa das genau so wollte. Er fand es nämlich ganz schlimm, wenn er in der Zeitung eine Todesanzeige fand, in der stand: XY wurde in aller Stille beigesetzt. Dann kam immer sein Spruch: „Den haben sie wieder verscharrt. Und ob der das so gewollt hätte, das ist ne andere Frage.“ Und hinterher sagte er dann immer: „Ich hab öffentlich gelebt. Ich will auch öffentlich begraben werde.“ Es ist genauso gekommen, wie er wollte.
Als Kind habe ich bei mir zuhause auf dem Dorf nur öffentliche Beerdigungen erlebt. Ich kannte gar nichts anderes. Erst später als Pfarrer habe ich gemerkt, wie unterschiedlich Beerdigungen sein können. Von der Sozialbeerdigung, wo niemand da war außer mir, über Beisetzungen im Friedwald, bis hin zu Trauerfeiern mit hunderten von Leuten, Blaskapelle und Kirchenchor.
Die Bestattungskultur hat sich schon immer verändert. Menschen sind vor 1000 Jahren anders beerdigt worden als vor 100 oder heute. Und ich verstehe, dass Angehörige sich heute nach einem Todesfall nicht selten für eine kleine Beerdigung entschließen. Vielleicht, weil der Verstorbene in den letzten Jahren nicht mehr viel Kontakte hatte. Manchmal ist es auch eine Frage des Geldes. Oder wenn jemand einmal selbst eine schlechte Erfahrung bei einer Bestattung gemacht hat und deswegen sagt: So will ich das aber sicher nicht! Und ich kenne selbst, gerade bei mir zuhause auf dem Dorf, das Gerede nach einer Trauerfeier. Wer was anhatte oder wie der Blumenschmuck am Grab aussah. Das alles kann ganz schön nervig sein.
Trotzdem mag ich diese öffentlichen Beerdigungen immer noch sehr, wie die von Susis Papa. Zum einen, weil sie jedem die Möglichkeit geben sich zu verabschieden. Zum anderen, weil ich es so sehr schätze, dass Gottesdienste grundsätzlich öffentlich sind. Und ich rede hier nicht nur von Beerdigungen, sondern auch von Taufen, Hochzeiten, Sonntagsgottesdiensten. Da dürfen alle einfach kommen. Egal, wie unterschiedlich sie sind. Ob sie mir persönlich passen oder nicht. Diese Öffentlichkeit ist für mich auch ein Bild dafür, wie ich mir Christentum und Kirche als Gemeinschaft überhaupt vorstelle. Offen. Für alle.
Deswegen sind mir die Worte von Susis Papa so sympathisch: „Ich hab öffentlich gelebt. Ich will auch öffentlich begraben werden.“
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