SWR4 Abendgedanken
Es ist Ende August und ich bin gerade ziemlich durch. Richtig urlaubsreif. Ich krieg mein Zeug auf dem Schreibtisch schon irgendwie abgearbeitet. Aber eben nur irgendwie. Viele hatten ja schon Urlaub, waren weg oder hatten zuhause frei. Ich hatte in den vergangenen Wochen manchmal das Gefühl: Bin ich eigentlich der Einzige, der noch arbeitet?
So ist es natürlich nicht. Aber so fühlt es sich manchmal an.
Ich glaube, dem Propheten Elija im Alten Testament ging es so ähnlich. Der hatte an einer Stelle auch einfach keine Lust mehr. Hatte genug gearbeitet. War frustriert, weil nicht alles so gelaufen ist, wie er wollte und ging deshalb in die Wüste. Der war nicht nur urlaubsreif, der war sogar richtig lebensmüde Er legt sich also unter einen Ginsterstrauch und denkt: Ok, das war‘s jetzt. War es aber nicht. Ein Engel rüttelt an seiner Schulter und sagt: Steh auf und iss! Und da sieht Elja neben sich plötzlich Brot liegen. Frischgebackenes Brot und einen Krug mit Wasser. Mitten in der Wüste. Egal, wie lebensmüde er vorher war: Da sagt er natürlich nicht nein. Isst und trinkt und legt sich wieder hin. Der Engel rüttelt ihn nochmals und sagt: „Steh auf und iss. Sonst wirst du nicht durchhalten.“ Er steht auf, isst und trinkt nochmal. Und dann? Dann läuft er vierzig Tage lang durch die Wüste.
Mir ist schon klar, dass die Situationen von Elija und mir ziemlich unterschiedlich sind. Der war richtig depressiv. Das bin ich Gott sei Dank nicht, aber trotzdem fühle ich mich ihm in seiner Erschöpfung sehr nahe, so urlaubsreif wie ich bin. Ich war zwar noch nie in der Wüste, aber ich weiß, wie ein Stück frisches Brot und ein Schluck kühles Wasser nach einer stundenlangen Bergwanderung schmecken. Nämlich himmlisch. Es gibt nichts Besseres.
Und mich beeindruckt, dass Elija danach genug Kraft hat, weiterzumachen. Ok, ich habe nicht vor, noch vierzig Tage zu arbeiten, egal, was man mir zu essen gibt. Aber ich will schauen, was für mich Brot und Wasser ist, damit ich noch gut weiterarbeiten kann.
Der Engel kann ein guter Freund sein, mit dem ich einen Kaffee trinke. Das Wasser der kühle Bach auf meinem Weg zur Arbeit, in den ich meine Füße kurz strecken kann. Das Brot, die Kugel Himbeereis, die ich mir auf dem Nachhauseweg gönne.
Es braucht gar nicht viel. Und ich muss nicht erst in die Wüste geraten. Denn Engel, Brot und Wasser gibt es überall.
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