SWR Kultur Wort zum Tag

05SEP2024
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Neulich musste ich eine Nacht im Krankenhaus verbringen. Bislang war ich nie ernsthaft krank. Im Krankenhaus war ich zwar oft, doch immer als Seelsorgerin, nicht als Patientin. Plötzlich musste ich mich in einen Ablauf einfügen, der mir fremd war und den ich manchmal auch gar nicht richtig verstanden habe, dabei bin ich sonst nicht schwer von Kapee.

„Sie müssen lernen, Patient zu sein,“ hat ein Arzt freundlich zu mir gesagt. Das lateinische „patient“ bedeutet auf Deutsch: geduldig, hinnehmend, leidend. Das lernt man schnell im Krankenhaus. Was ich aber auch gelernt habe, und auch das sehr schnell: Es gibt eine berührende Solidarität unter den Kranken, über Milieu- und Altersgrenzen hinweg: Krankheit setzt sich über menschliche Hierarchien und Grenzen hinweg – durchbricht sie auch. Ich saß auf meinem Stuhl im Wartebereich zwischen Jungen und Älteren, neben mir eine Frau, die ziemlich nach Rauch gerochen hat. Normalerweise würde mich das stören. Im Krankenhaus habe ich gedacht: Sie wird ihre Zigarette zur Beruhigung gebraucht haben. Manchmal kamen kurze, intensive Gespräche auf, oder ein: „Viel Glück!“, wenn man abgeholt wurde.

Was ich auch begriffen habe: Wir hinnehmende, leidende Patienten-Menschen sind bedürftig nach Freundlichkeit. Es tut einfach gut, wenn jemand in dieser Situation verständnisvoll ist, freundlich und tröstend. Wenn jemand fragt, wie es mir geht und nicht schon weiß, wie es mir bitteschön gehen sollte. Denn, auch das habe ich begriffen: Dieses Patient-Sein, darauf kann man sich nicht richtig vorbereiten.

Meine Großmutter hatte noch ein gepacktes Köfferchen im Schrank stehen, für den Fall der Fälle. Mit Nachtzeug, Unterhose und Necessaire. Leider gibt es aber kein gepacktes Köfferchen für die Gefühle und Gedanken, die man als Patientin entwickelt. Das kann sehr überraschend und ganz anders aussehen, als man es sich vorher vorgestellt hat. Wenn man sich überhaupt mit solchen Gedanken beschäftigt hat. Daher tut es gut, wenn sich Menschen – auch außerhalb des Krankenhauses – auf das einlassen können, was die Patientin in diesem Moment bewegt und bedrückt. Oder auch freut. Was mir persönlich tatsächlich besonders gutgetan hat, war die Zusage: Ich werde für dich beten. Mir hat es das Gefühl gegeben: Da gibt es jemanden, der mich, auch als hinnehmendes, leidendes Menschenkind, liebevoll in der Hand hält. Und andere bitten darum, dass ich das auch spüre.

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