SWR1 Begegnungen
Christopher Hoffmann trifft: Rebecca Scheeres, Ehrenamtliche bei Sant´Egidio.
Die 26-jährige hat gerade ihr Studium als angehende Grundschullehrerin in Koblenz absolviert und startet nach den Sommerferien ins Referendariat im Hunsrück. Für Kinder brennt ihr Herz aber schon lange: In ihrer Heimatstadt Mönchengladbach engagiert sie sich seit über zehn Jahren ehrenamtlich, um für Kinder aus schwierigen Verhältnissen die Chancen auf Bildung zu verbessern. Organisiert wird das von der katholischen Gemeinschaft Sant´ Egidio. Dabei war Rebecca früher mit Kirche gar nicht eng verbunden, dafür aber ihre beste Freundin:
Und sie hat dann irgendwann mich ja schon überredet auch mal mitzukommen-also viel Lust hatte ich am Anfang nicht. Es geht um Samstagnachmittag und sozial benachteiligte Kinder betreuen, die ja auch nicht immer einfach sind und das war schon am Anfang eine Überwindung für mich dahinzugehen.
Inzwischen ist sie mit großer Begeisterung dabei. Aber was ist das für eine Gemeinschaft – Sant´ Egidio? 1968 wurde sie in den ärmeren Vierteln von Rom gegründet.
Das waren eine Hand voll Jugendliche eigentlich, die die Zustände in Rom gesehen haben,die gesagt haben: Was hat denn eigentlich Jesus uns gesagt? Wie sollen wir mit der Situation umgehen? Was sollen wir machen? Haben also ins Evangelium geguckt und gesagt: wir machen genau das, was da steht und gehen zu den Leuten hin, laden die ein, lernen die kennen und versuchen ihnen zu helfen und daraus ist tatsächlich was sehr Großes entstanden.
Sant´ Egidio gibt es inzwischen in über 70 Ländern auf der Welt – nicht Ordensleute, sondern Jugendliche, Senioren, Krankenpflegerinnen, Köche, Juristen, Menschen, die selbst fliehen mussten und etwas zurückgeben möchten oder eben Studentinnen wie Rebecca. Der gemeinsame Motor: Nächstenliebe…
Alle Menschen, die irgendwie Hilfe benötigen, sei es jetzt wegen Einsamkeit im Alter, sei es wegen Krankheit, sei es eben wegen Schulproblemen, wegen Integrationsschwierigkeiten-alles Mögliche: da versucht dann eben Sant´ Egidio Brücken zu bauen.
Brücken - auch an den Grenzen Europas, wo Menschen auf der Flucht ankommen. Rebecca Scheeres war schon dreimal beim so genannten „Sommer der Solidarität“ von Sant´ Egidio dabei, wo junge Menschen in riesigen Flüchtlingscamps Hilfe anbieten. Beim ersten Mal 2020 auf Moria auf der Insel Lesbos, bevor das damals völlig überfüllte Camp abgebrannt ist.
Es war wirklich ein Dschungel - ich kann es gar nicht anders sagen - aus selbstgebastelten Zelten, selbstgebastelten Abwasserkanälen, zusammengesteckt aus Tüchern, Folien , Müll teilweise, was man so finden kann. Es war sehr, sehr schwierig an Gesundheitsversorgung zu kommen. Es gab eine Hand voll Duschen, obwohl es im Sommer 40 Grad waren…
In den folgenden Sommern war sie in Athen, wo dann viele auf der Straße lebten und in Zypern: Die Zustände auch dort katastrophal – was hat das mit ihr gemacht?
Dass das auch so nah ist, dass innerhalb von Europa, also ja wirklich in der EU so furchtbare Bedingungen sind für Menschen, die vor dem Krieg fliehen – das hat sehr, sehr viel mit mir gemacht, tatsächlich, es vergeht glaub ich bis heute kein Tag an dem ich nicht darüber nachdenke, in was für Verhältnissen die Menschen leben müssen, wenn sie hier bei uns ankommen.
Ich treffe Rebecca Scheeres in Koblenz, wo sie an der Uni katholische Theologie und Deutsch studiert hat. Mit der Gemeinschaft Sant´ Egidio war die junge Frau dreimal an den Außengrenzen Europas und hat ehrenamtlich ihren Sommer in Flüchtlingscamps verbracht. In einer alten Olivenfabrik neben dem Lager Moria haben sie ein improvisiertes Restaurant eröffnet und die Menschen dorthin eingeladen.
Wir haben uns zu ihnen gesetzt, mit ihnen gesprochen, gezeigt: wir möchten euch kennenlernen. Und ein Mann hat dann einmal gesagt: Das ist das erste Mal, dass mir jemand ein Lächeln geschenkt hat seit Monaten. Und wirklich eben dieses Gefühl zu geben: du bist jemand und du bist auch etwas wert.
In Athen betreute sie mit anderen Freiwilligen 80-100 Kinder am Tag in einer Sommerschule von Sant´ Egidio:
Wo wir auch gemerkt haben, dass teilweise achtjähre Kinder noch keinen Stift halten können, weil sie noch nicht zur Schule gehen konnten und noch mal eine ganz andere Perspektive so viel mit den Kindern mitzubekommen, weil man dort wirklich stark gemerkt hat, wie die Entwicklung der Kinder auf der Strecke bleibt, wenn man auf der Flucht ist.
Und Rebecca schreibt die Biographien der ankommenden Menschen auf, gibt sie an die Gemeinschaft weiter, und Sant´ Egidio macht sich für die Idee der humanitären Korridore stark: Dabei erhalten besonders gefährdete Menschen humanitäre Visa, damit sie aus den Camps oder direkt aus den Gefahren in Kriegsgebieten herauskommen. Belgien, Italien, Frankreich und Andorra haben sich dazu bereiterklärt, sie aufzunehmen. Über 7000 geflüchtete Menschen konnten bisher dank Sant´ Egidio in Zusammenarbeit mit dem Vatikan sicher untergebracht werden.
Es gibt da jetzt echt schon viele glückliche Geschichten, auch Menschen, die ich kennenlernen durfte auf Zypern zum Beispiel, die durch diese humanitären Korridore jetzt nach Italien gekommen sind und dort leben können.
Diesen Menschen gastfreundlich begegnen, sie aufnehmen-das hat für Rebecca Scheeres ganz viel mit ihrem Glauben an Gott zu tun. Wer ist Gott sie?
Eigentlich eine permanente positive Unterstützung, ja ein Halt eigentlich. Gott heißt für mich im Ganzen eine ganz große Gastfreundschaft, also etwas , was für jeden da ist und offen ist und erreichbar ist.
Hunderte Helfer von Sant´ Egidio waren 2023 dann bei Papst Franziskus eingeladen – als Dankeschön für ihren Einsatz. Bei der Audienz waren auch Menschen, die neu nach Europa gekommen waren:
Also vor uns war eine Familie, die eben selbst über die Korridore nach Italien gekommen ist, auch ein kleiner Junge mit einer kleinen Spider-Man-Stofffigur und hat sich eben ständig zu uns umgedreht mit der Figur und dann haben wir gespielt, die Figur genommen, zu ihm hingeworfen und am Ende ist der Papst dann noch an den Leuten vorbeigefahren , hat sie persönlich gegrüßt und dann war auch der Junge ganz vorne und hat dem Papst seine Spider-Man-Figur gegeben, was ich auch wieder total berührend fand, hatte diesen Drang: Die schenk ich jetzt weiter an den alten Mann im Rollstuhl, den ich ja eigentlich gar nicht kenne. Das war wieder so eine schöne, herzliche Geste, die mal wieder gezeigt hat, was für ein großes Herz die Menschen haben – und gerade die Menschen, die hierher kommen. Trotz allem, was sie erlebt haben.
Mit ihrem großen Herz will sie nun auch in Koblenz regelmäßig die Idee eines Restaurants für geflüchtete Menschen umsetzen. Und dafür sucht die dynamische junge Frau mit dem strahlenden Lächeln und den zupackenden Händen aktuell noch Mitstreiter.
Wer Interesse hat Rebecca Scheeres in Koblenz bei ihrer Arbeit mit geflüchteten Menschen zu unterstützen kann sich bei Autor Christopher Hoffmann melden (Christopher.Hoffmann@bistum-trier.de">Christopher.Hoffmann@bistum-trier.de, 0175/7705474), der den Kontakt dann weiterleitet.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40509