SWR3 Gedanken

28AUG2024
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Die 79-jährige Irmela entfernt oder verfremdet rassistische Parolen. Sie übermalt antisemitische Sprüche oder übersprüht ausländerfeindliche Graffitis mit roten Herzen.

Irmela stammt aus Stuttgart und lebt mittlerweile in Berlin. Ihr Schlüsselerlebnis hatte sie bereits 1986. Als sie morgens aus dem Haus geht, bemerkt sie an der Bushaltestelle einen Aufkleber, auf dem steht: „Freiheit für Rudolf Heß“ – also den damals noch inhaftierten Hitler-Stellvertreter. Als der Aufkleber abends immer noch da ist, kramt sie ihren Hausschlüssel raus und kratzt ihn eigenhändig ab. Seit 2007 zählt sie und hat bis heute über 95.000 Mal etwas abgeschabt, mit Nagellackentferner beseitigt oder verändert. 2016 hat sie in Berlin  aus einem gesprayten „Merkel muss weg!“ den Slogan „Merke! Hass weg!“ gemacht. Sie bietet inzwischen sogar Workshops für Schulklassen an, wie man Hassbotschaften positiv verfremden kann.

Irmela erntet nicht nur Anerkennung, sondern wird auch angefeindet. Vor allem aus dem rechten Milieu werden Strafverfahren gegen sie angestrengt. Aber das beflügelt sie eher. Sie sagt: „Ich warte sehnsüchtig auf den Strafbefehl. Ich resigniere nicht, das lasse ich mir nicht nehmen.“

An zwei Erlebnisse denkt sie besonders gerne zurück: Einmal hat sie einen jungen Mann angesprochen, der gerade dabei war, einen rassistischen Aufkleber anzubringen. Und er ist daraufhin einfach weggegangen. Und noch krasser: ein Neonazi hat sich bei ihr bedankt, dass sie so hartnäckig ihr Ding durchzieht, denn bei ihm hat das einen Sinneswandel ausgelöst.

Mutig, beharrlich und kreativ für seine Werte eintreten wie Irmela – das ist einfach nur stark!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40505
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