SWR Kultur Wort zum Tag

10SEP2024
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Nach 25 Jahren werde ich sie also alle wiedersehen: Jörn, Tina, Tobias und wie sie alle heißen. Unser Abi-Treffen steht an. Nur von wenigen weiß ich, was sie nach der Schule gemacht und erlebt haben.

Zuerst habe ich mich einfach nur darauf gefreut, meine Mitschüler nach so langer Zeit wieder zu sehen. Doch nun kreisen mir ganz verschiedene Gedanken durch den Kopf: Welche Träume hatte ich nach dem Abitur? Was davon habe ich seitdem erreicht?

Und damit sind wir bei der ersten großen Frage: Wonach bewerte ich eigentlich mein Leben? Habe ich es geschafft, wenn ich im Eigenheim wohne? Zählen Kinder und Familie mehr als der Beruf? Sollte ich um die Welt gereist sein oder einfach ein großes Auto fahren? Darauf werden die meisten nach 25 Jahre eine Antwort gefunden haben – oder die Antwort hat sie gefunden. Denn nicht alles im Leben ist planbar. Der Zufall spielt meistens eine große Rolle: Glück in der Liebe, ein Unfall beim Sport, der Umzug nach Berlin – vieles geschieht unerwartet.

Je länger ich darüber nachdenke, desto weniger geht es mir darum, mich mit anderen zu messen. Ich gönne jedem seine Erfolge und will im Kopf nicht ständig vergleichen. Jeder wird sich ein gutes Leben etwas anders vorstellen. Und ich habe mich damals ganz bewusst für ein Theologiestudium entschieden. Das galt noch nie als besonders cool. Mir ist es wichtig, über Philosophie, Religion und Geschichte nachzusinnen. Würde mich wundern, wenn das die anderen in Ekstase versetzt.

Die zweite Frage, die mich beschäftigt lautet: Wie verändern sich Menschen mit den Jahren? Wen erkenne ich nach 25 Jahren noch an seinem Lachen? Wer war laut, ist nun leise? Wer war wild, ist nun brav? Oder bleiben wir doch dieselben? Das habe ich mir fest vorgenommen: Ich will nicht gleich denken: Der Sebastian hat sich ja überhaupt nicht verändert! Nicht gleich in die alten Muster verfallen. Sondern fragen, zuhören, neu kennen lernen. Jede und jeder wird viele neue Seiten entwickelt haben.

Hoffentlich konnten und können viele ihr Potenzial ausschöpfen. Denn glücklich kann ich sein, wenn ich die Talente nutze, die in mir schlummern. Wenn ich mit den Jahren verstehe, was mich ausmacht, und meine Grenzen und meine Stärken kenne. Und über die vielen Wunder staunen kann, die mir zwischen Himmel und Erde begegnen.

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